Keine Überraschungen vor der Sommerpause
Unseren Erwartungen entsprechend haben die europäischen Währungshüter bei ihrer heutigen Ratssitzung keine Änderungen am geldpolitischen Kurs beschlossen. Die EZB wird die Anleihekäufe im Rahmen des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) bis zumindest Ende Juni 2021 fortführen. Auch wenn einzelne Währungshüter im Vorfeld der EZB-Beratungen ihr Unbehagen hinsichtlich der Flexibilität des PEPP zum Ausdruck gebracht haben, wurden keine Anpassungen an den Rahmenbedingungen vorweggenommen. Die Wertpapierkäufe im Zuge des Asset Purchase Programme (APP) werden ebenso planmäßig fortgeführt. Angesichts der Unsicherheit über den Konjunkturausblick ist nach Einschätzung der Währungshüter weiterhin ein umfassender geldpolitischer Stimulus geboten.
Im Zuge der Pressekonferenz hat Frau Lagarde hervorgehoben, dass die Notenbank das avisierte PEPP-Ankaufvolumen von 1.350 Mrd. Euro voraussichtlich ausschöpfen werde. Damit sendet die EZB-Chefin ein „dovishes“ Signal und stellt sich Ratsvertretern entgegen, welche zuletzt darüber spekulierten, den PEPP-Rahmen nicht gänzlich auszunutzen. Nur wenn sich die europäische Wirtschaft überraschend kräftig erholen würde, wären nach Einschätzung von Lagarde Anleihekäufe in geringerem Umfang vorstellbar. Die oberste Währungshüterin hat betont, dass die Flexibilität des PEPP von besonderer Bedeutung ist, um einer möglichen Fragmentierung im Euroraum zu begegnen. Eine Abweichung vom Kapitalschlüssel sei daher kein Hinderungsgrund, die avisierten geldpolitischen Maßnahmen zu implementieren.
Die Wertpapierkäufe und Tenderoperationen haben dazu geführt, dass die Überschussliquidität im Euroraum zwischenzeitlich auf annähernd 2.800 Mrd. Euro angewachsen ist. Insbesondere kerneuropäische Banken sind vom EZB-Strafzins betroffen. Spekulationen über eine Anpassung des Tiering-Faktors haben sich nicht erfüllt. Die EZB-Chefin hat aber eingeräumt, dass dies in der Zukunft durchaus möglich sei. Bislang sieht der EZB-Rat hierfür aber noch keinen Handlungsbedarf. Sollte mit Blick gen Herbst die Insolvenzen steigen und die Belastungen für den Bankensektor zunehmen, halten wir eine Anpassung des Freibetrags für durchaus vorstellbar. Über die Sommerpause dürften die Währungshüter die Entwicklung der europäischen Konjunktur genau im Blick behalten. Sollte die Konjunkturentwicklung hinter den Erwartungen zurückbleiben, könnte die EZB den geldpolitischen Stimulus, insbesondere das PEPP-Volumen, im Herbst durchaus nochmal erhöhen.