Europa vor dem Sondergipfel
Beim heute beginnenden EU-Gipfel stehen Entscheidungen von großer Tragweite auf dem Programm. Sie könnten die Europäische Union für die nächsten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte prägen. Es geht nicht nur um den Billionen-schweren EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre, sondern auch um den umstrittenen Wiederaufbaufonds, der vor allem den südeuropäischen Ländern zugutekommen soll. Erstmals will die EU so neben der Strukturpolitik auch in die Konjunkturpolitik einsteigen, mit einem großen, kreditfinanzierten Fiskalprogramm.
Dabei ist Einstimmigkeit aller 27 EU-Länder gefordert. Diese wird nicht einfach zu erreichen sein. Einige Länder (Niederlande, Österreich, Dänemark, Schweden) haben bereits Widerstand gegen Hilfszahlungen ohne "Gegenleistungen" der Empfänger angekündigt. Da wird vor allem von den Initiatoren Frankreich und Deutschland viel Verhandlungsgeschick gefragt sein. Kanzlerin Merkel hat bereits versucht, die Erwartungen in Bezug auf eine schnelle Einigung zu dämpfen. Präsident Macron hat nach dem schlechten Ergebnis bei den Kommunalwahlen Ende Juni zunächst seine Regierung umgebildet, um aus einer gestärkten Position argumentieren zu können.
Auch die osteuropäischen Länder, die in der Diskussion um den Wiederaufbaufonds bislang nicht offen Position bezogen haben, werden ein gewichtiges Wort mitsprechen. Sie sind Nettoempfänger und werden eine entsprechende Beteiligung an den Hilfszahlungen erwarten. Polens Präsident Duda geht nach seinem Wahlsieg jedenfalls gestärkt in die Verhandlungen. Kanzlerin Merkel verfügt über große Erfahrung in schwierigen internationalen Verhandlungen – sie wird sie brauchen.