China wächst wieder

Mit mächtig Schwung ist die chinesische Wirtschaft im zurückliegenden zweiten Quartal auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. Das Bruttoinlandsprodukt legte um mehr als elf Prozent gegenüber dem Vorquartal zu und machte damit den rund zehnprozentigen Einbruch vom Jahresauftakt wieder vollständig wett. Das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung konnte wiederhergestellt und gegenüber dem zweiten Quartal 2019 ein Wachstum von 3,2 Prozent erreicht werden. Das ist beachtlich.

Ausgeglichen ist die Erholung allerdings nicht. Die Industrie konnte die Produktion nach dem vergleichsweise kurzen Corona-Lockdown im Februar schnell wiederaufnehmen und ist inzwischen nahezu wieder zur Normalität zurückgekehrt. Mit ihrem hohen Anteil von rund 40 Prozent hat sie die Gesamtwirtschaft entscheidend stabilisiert. Der private Konsum hingegen strauchelt weiterhin, belastet von den Ängsten der Menschen vor Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten sowie vor einer zweiten Infektionswelle. Daher musste auch vom Staat in den vergangenen Monaten entscheidende Anschubhilfe für das Wirtschaftswachstum kommen. Pekings Konjunkturmaßnahmen wirken im internationalen Maßstab bislang zwar fast bescheiden, wurden aber offenbar sehr zeitnah umgesetzt oder fallen womöglich doch um einiges höher aus als die offiziell verkündeten 4,2 Prozent des BIP. Die staatliche Investitionstätigkeit zog in den vergangenen Monaten auf jeden Fall deutlich an.

Unerwarteten Rückenwind erhielt die chinesische Wirtschaft zudem vom Außenhandel, die Exporte konnten dem weltweiten Wirtschaftseinbruch auf bemerkenswerte Weise trotzen. Zugute kam der chinesischen Industrie, dass sie schon wieder produktions- und lieferfähig war, als in weiten Teilen der Welt gerade erst der Lockdown verhängt wurde. Nicht nur medizinische Schutzausrüstung wurde en Gros in alle Welt verschickt, auch Fertigungsbauteile für die zuvor durch Chinas Stillstand beschädigten Lieferketten. In zahlreichen Industrieländern konnte die Volksrepublik dadurch ihren Marktanteil deutlich steigern. Inzwischen profitieren auch viele Exportländer von der anziehenden Nachfrage aus China. Die Einfuhren stiegen im Juni deutlich, vor allem Rohstoffimporte zogen kräftig an.

Trotz dieser guten Entwicklung dürften die kommenden Monate noch schwierig für die chinesische Wirtschaft werden. Der Wachstumsschub der Corona-Lockerungen wird bald auslaufen. Auch dürften die jüngsten Anteilsgewinne auf den wichtigsten Exportmärkten des Landes nicht von Dauer sein, sobald sich die Produktion in den Industrieländern wieder normalisiert. Gleichzeitig dürfte der Nachfrageeinbruch der globalen Rezession stärker zum Tragen kommen. Zudem bleibt der weiter schwelende Konflikt mit den Vereinigten Staaten ein hohes Wachstumsrisiko. Auch wenn sich der Streit zurzeit eher auf politische Ebene zuspitzt, könnte er schnell wieder in Handelshemmnissen münden. Wir bleiben daher vorsichtig mit unserer Prognose. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis China wieder an den Wachstumstrend vom vergangenen Jahr anknüpfen kann.

 


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