Rohölmarkt spiegelt Konjunktureinbruch wider
Wir alle wissen, dass die Weltwirtschaft auf eine tiefe Rezession zusteuert, die die vergangenen Krisen wohl noch deutlich in den Schatten stellen wird. An den Finanzmärkten kann man von dieser Entwicklung bislang nur wenig sehen. Zwar sind die Aktienmärkte in der ersten Reaktion um gut 40% angestürzt, die unglaublich hohen staatlichen Zusagen zur Unterstützung von Unternehmen und privaten Haushalten haben aber zu einer schnellen Erholung der Aktienmärkte beigetragen. Die Bewertung der Aktienmärkte liegt nun fast wieder auf dem sehr hohen Niveau, das man vor der Corona Krise beobachten konnte.
Bei den Anleihemärkten und hier insbesondere bei den Staatsanleihen zeigen die quasi unlimitierten Zusagen der Zentralbanken Wirkung. Kaum ein Anleihesegment, das nicht von den Käufen der Zentralbanken profitieren kann. Auch hier sind die Auswirkungen, in Form von höherer Staatsverschuldung oder steigenden Bilanzrisiken der Unternehmen, wenn überhaupt nur sehr gedämpft zu sehen.
Die wirtschaftliche Abkühlung spiegelt sich aber mit voller Wucht im Ölpreis wider. Hier gibt es zwar durch die OPEC auch den Versuch, die Preise zu stabilisieren. Jedoch ist der Nachfragerückgang so ausgeprägt, dass diese Aktivitäten kaum Wirkung entfalten können. Der Ölpreis fällt fast wie ein Stein, auf Niveaus, die man seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat.
Tatsächlich gab es in den letzten Tagen erstmals seit Bestehen der an der New-Yorker Terminbörse (NYMEX) gehandelten WTI-Kontrakte einen negativen Ölpreis von minus 40 USD. Allerdings muss man hier etwas präzisieren, denn es handelt sich um den heute fällig werdenden Mai-Kontrakt. Der Juni-Kontrakt liegt mit plus 20 USD deutlich darüber. Der „Spread“ war noch nie so hoch.
Die aufsteigende Terminkurve spricht dafür, dass die Lagerkosten in den USA aktuell durch die Decke schießen. Kein Wunder, da die Kapazitäten nahezu erschöpft sind. Der Lieferort für WTI in Cushing (Oklahoma) wird in zwei Wochen kein Öl mehr aufnehmen können. Alleine im März sind die Cushing- Bestände um fast 50 Prozent auf 55 Millionen Barrel gestiegen. Die Amerikaner können nur etwas Druck vom Kessel nehmen, wenn sie die strategischen Reserven massiv hochfahren. Sollte sich die Nachfrage nicht etwas erholen, werden die Juni-Kontrakte auch in den negativen Bereich abrutschen.
Weniger systemkritisch, aber dennoch dramatisch ist die Situation bei Brent als globaler Rohölsorte. Heute ist Brent um mehr als 22 Prozent gefallen. Das Bild, das Rohöl für die Weltwirtschaft zeichnet, sieht düster aus und gibt wenig Anlass für eine baldige Aufhellung. Die weltweite Nachfrage ist wegen der Shutdowns und Reisebeschränkungen im März/April um ein Drittel eingebrochen.
Der Ölpreis spiegelt als einer der wenigen Märkte die kommende wirtschaftliche Entwicklung relativ gut wider. Vor diesem Hintergrund erscheint die jüngste Erholung an den Aktienmärkten fast schon euphorisch und man kann hier wohl noch einmal mit einer Korrektur rechnen. Die Gewinnerwartungen für die Unternehmen sind aktuell noch zu optimistisch und dürften noch spürbar noch unten korrigiert werden. Bei den Anleihen dürfte sich aber letztendlich die Zentralbanken durchsetzen, hier ist die Funktionsweise der Märke wohl dauerhaft gestört.