02.04.2020
Europa braucht jetzt eine gemeinsame Anstrengung
- Die Corona-Krise hinterlässt bereits jetzt tiefe Spuren. Strukturell schwache Länder werden kaum in der Lage sein, die Belastungen alleine zu stemmen. Es ist jetzt an der Zeit sich klar zu Europa und dem Euroraum zu bekennen, die bereits jetzt bestehenden Möglichkeiten zusammenzufassen und die kommenden Lasten auf alle Länder zu verteilen. Es muss aber auch festgeschrieben werden, dass eine gemeinsame Hilfe zielgerichtet und zeitlich befristet ist.
Die Corona-Krise ist nicht nur eine riesige Herausforderung für die Weltgemeinschaft, auch in Europa hat die Krise bereits jetzt sehr tiefe Spuren hinterlassen. Insbesondere in Italien und Spanien ist die Zahl der infizierten Menschen besonders groß und die Gesundheitssysteme sind überfordert. Um die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen, haben die Regierungen das soziale und wirtschaftliche Leben nahezu vollständig zum Erliegen gebracht. Gerade mit Italien trifft dies ein Land, das bereits in den letzten Jahren sehr unter seinen strukturellen Schwächen und einer hohen Staatsverschuldung gelitten hat. Aber die Krise hat nicht nur Italien und Spanien getroffen. Alle Euro-Länder leiden unter der Krise und werden in den kommenden Monaten eine tiefe Rezession durchlaufen.
Um die wirtschaftlichen Schäden in Grenzen zu halten, planen die EWU-Staaten rekordhohe Fiskalprogramme. Das Emissionsvolumen der Staaten könnte sich im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen für dieses Jahr mehr als verdoppeln. Die Schuldentragfähigkeit und die Finanzierungskosten der Länder sind jedoch sehr unterschiedlich. Dabei zeichnet sich ab, dass die Länder, die bereits vor der Pandemie strukturell und/oder finanziell nicht gut aufgestellt waren, von der Corona-Krise besonders betroffen sind. So droht die Verschuldung Italiens mittelfristig auf über 150% des BIP anzuwachsen. Diese Schuldenlast dürfte Italien ohne dauerhafte Unterstützung durch die EZB alleine kaum stemmen können.
Da wundert es nicht, dass nun wieder die Rufe nach einer Vergemeinschaftung der Lasten laut werden. Diesmal sollen die Anleihen Corona-Bonds heißen und nicht Euro-Bonds, wie während der Finanz- und Staatsschuldenkrise. Die Fronten verlaufen ähnlich, aber doch anders. Diesmal sind hauptsächlich Österreich und die Niederlande gegen die Vergemeinschaftung von Schulden, während Frankreich, Italien und weitere Peripheriestaaten für eine solche Finanzierungsform sind. An Deutschland dürfte es diesmal aber nicht scheitern.
Die Argumentation hat sich im Grundsatz nicht gewandelt. Verändert hat sich aber die Art und Tiefe der Krise und die daraus entstehende Gemengelage. Die Frage über eine gemeinschaftliche Finanzierung der Wiederaufbauprogramme ist am Ende eine Frage über den Fortbestand des Euroraums. Wenn sich die Staaten nicht auf eine Lösung einigen, ist es aus meiner Sicht wahrscheinlich, dass der Euroraum zumindest in der jetzigen Zusammensetzung diese Krise nicht übersteht. Angesichts der geopolitischen Herausforderungen und der hohen Bedeutung der europäischen Einheit für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Europa ist ein gemeinsamer Währungsraum aber eher noch wichtiger geworden.
Haushaltsrechtlich sind gemeinsame Euro-Anleihen in Deutschland nach aktueller Rechtslage angreifbar. Aber es gibt im Euroraum und Europa bereits jetzt ausreichend Gefäße und Mechanismen, die man zusammenfassen kann. Daneben ist auch der Vorschlag von Präsident Macron, die Gründung eines eigenen Fonds, der die entsprechenden Anleihen begibt, ein gangbarer Weg. Wichtig ist dabei aus meiner Sicht, dass eine gemeinsame Finanzierung zielgerichtet und zeitlich befristet sein muss. Wenn diese Kriterien klar definiert und unverrückbar festgeschrieben sind, spricht vieles für eine gemeinsame Anstrengung zur Überwindung der Corona-Krise. Der politische und wirtschaftliche Zusammenhalt Europas sollte dann gesichert sein.
02.04.2020