Hoffnungswerte aus China? – Nicht überinterpretieren!

Als Ursprungsland der Pandemie ist China als erste Volkswirtschaft in die Corona-Krise gestürzt. Der Shutdown im Februar führte zu einem beispiellosen Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität. Nun kann das Land erste Wachstumserfolge melden. Die (staatlichen) Einkaufsmanagerindizes haben sich im März deutlich von ihren Allzeittiefs des Vormonats erholt, sie konnten sogar wider Erwarten die Wachstumsschwelle von 50 Punkten überwinden. In der Industrie stieg der Umfragewert von zuvor 35,7 auf 52 Punkte, im Dienstleistungssektor von 29,6 auf 52,3 Zähler.

Grundsätzlich deckt sich die Verbesserung der Stimmungsindikatoren mit zahlreichen Berichten aus China, wonach sich das Wirtschaftsleben des Landes in den vergangenen Wochen allmählich von der vorangegangenen Schockstarre erholt. Dabei ist allerdings viel Propaganda. Dass die nun veröffentlichten Indikatoren politisch aufgebessert wurden, um das „Narrativ“ der erfolgreichen Krisenüberwindung zu untermauern, kann sicherlich nicht ausgeschlossen werden. Der privat erhobene Umfragewert von IHS Markit, der morgen erscheint, könnte das Bild hier bereits relativieren. Auf keinen Fall sollten die vermeintlich guten Umfrageergebnisse aber dahingehend gewertet werden, dass die chinesische Wirtschaft bereits wieder das Vorkrisen-Wachstum erreicht hat – davor warnt selbst das publizierende chinesische Statistikamt. Sie können eigentlich nur im Zusammenhang mit den extrem schwachen Werten vom Vormonat sinnvoll interpretiert werden und signalisieren aktuell, nach dem Kollaps im Februar, ein wieder moderates Wachstum ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau.

Tagesdaten aus der chinesischen Wirtschaft bestätigen dieses Bild. Seitdem die rigiden Beschränkungen der chinesischen Behörden vorsichtig gelockert werden, also etwa seit vier Wochen, haben sich beispielsweise die Passagierzahlen im Schienen- und Luftverkehr oder die Zahl der Autos auf den Straßen mehr als verdoppelt. Damit liegen sie aber immer noch 40 bis 50 Prozent unter dem Niveau vom Vorjahr. Daten zum Kohleverbrauch und zur Stromerzeugung fallen ebenfalls noch 20 bis 30 Prozent hinter ihre Vorjahreswerte zurück. Dies lässt darauf schließen, dass auch die Industrie noch weit unter ihrem Vorkrisenniveau produziert.

Noch ist China also weit von Normalität entfernt. Noch erfolgt auch die Lockerung der Restriktionen nur unter hohen Sicherheitsauflagen. Das Land schottet sich zudem zunehmend nach außen ab. Zu Recht befürchtet Peking den Ausbruch bzw. das Einschleppen einer neuen Infektionswelle. Hinzu kommt der weltweite Wachstumseinbruch, den die Pandemie ausgelöst hat. Chinas exportabhängigen Unternehmen sehen sich jetzt, nach der mühsamen Überwindung des Angebotsschocks, einem Nachfrageschock gegenüber. Der Gegenwind für die chinesische Wirtschaft bleibt erst einmal kräftig.

 

 


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