Deutsche Industrie: Wirklich so schwach?

Die „harten“ Konjunkturdaten aus der deutschen Industrie, die in den letzten Tagen veröffentlicht worden sind, waren schon fast schockierend schwach. Demnach sind die Auftragseingänge im Dezember letzten Jahres im Vergleich zum Vormonat nochmals um mehr als zwei Prozent zurückgegangen. Sie lagen damit zum Jahresende 2019 um fast neun Prozent niedriger als Ende 2018. Die Produktionsergebnisse fielen sogar noch schlechter aus: Zum Jahresschluss sank der Output im gesamten Produzierenden Gewerbe im Vormonatsvergleich um 3,5 Prozent, wobei das Minus in der Industrie bei 2,5 Prozent und im Baugewerbe bei fast neun Prozent gelegen hat.

Diese Zahlen haben auch deswegen so enttäuscht, weil die Stimmungsindikatoren der letzten Wochen eigentlich den Eindruck einer Stabilisierung der Industriekonjunktur erweckt hatten. So hatte das Geschäftsklima unter den Einkaufsmanagern bereits im September letzten Jahres seinen Tiefpunkt erreicht und sich seitdem wieder etwas gefangen, und auch die von ifo-Institut ermittelten Exporterwartungen des verarbeitenden Gewerbes schienen sich zumindest stabilisiert zu haben.

Wie lassen sich die schlechten Dezember-Daten aus der Industrie also erklären? Statistische Sondereffekte, die besonders zum Jahreswechsel zu berücksichtigen sind, könnten zumindest für einen Teil der Rückgänge verantwortlich sein. So hat die Lage der Feiertage im Dezember die Arbeitnehmer zu einem längeren Weihnachtsurlaub geradezu eingeladen, der entsprechende Produktionsausfall an den Brückentagen dürfte von den Statistikern nicht vollständig herausgerechnet worden sein. Bei den Auftragsdaten fällt außerdem auf, dass sich der jüngste Rückgang auf die Bestellungen aus dem Euro-Raum beschränkt, während aus dem Inland und aus der restlichen Welt mehr Aufträge verbucht worden sind. Nach einer Schätzung des Wirtschaftsministeriums dürfte alleine ein Drittel des gesamten Dezember-Minus auf die großen Schwankungen bei Großaufträgen im Bereich „Sonstiger Fahrzeugbau“ (also z.B. Züge und Flugzeuge bzw. -teile) zurückgehen.

Vor diesem Hintergrund dürfte die Lage in der deutschen Industrie also nicht ganz so dramatisch sein, wie es die Dezember-Daten auf den ersten Blick vermitteln. Dennoch ist die heimische Konjunkturschwäche noch keineswegs überwunden. Eine Erholung im Industriesektor ist noch nicht in Sicht, und es ist keineswegs ausgemacht, dass die restliche Wirtschaft ihre Stabilität auch im Jahr 2020 beibehalten kann. Sollte sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt allmählich eintrüben, kann auch der private Konsum die Konjunktur nicht mehr alleine über der Nulllinie halten. Eine steuerliche Entlastung für Unternehmen und Haushalte könnte in dieser schwierigen Phase einen wichtigen positiven Impuls setzen.

 

 


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