Deutsche Landwirtschaft im Umbruch
Die Bundesregierung hat auf die anhaltenden Bauernproteste reagiert und Vertreter aus Ernährungsgewerbe und Handel zu Gesprächen über die Lebensmittelpreise eingeladen. Greifbare Ergebnissen waren nicht zu erwarten. Die angespannte Lage verdeutlicht jedoch den hohen Druck, unter dem die Branche steht und der den landwirtschaftlichen Strukturwandel beschleunigen dürfte.
Auslöser für die Zukunftsängste der Landwirte ist aber nicht nur ein starker internationaler Preiswettbewerb. Auch Umweltschutzauflagen, Klimawandel, technischer Fortschritt und demographische Probleme spielen eine Rolle. So zählt die Landwirtschaft zu den Wirtschaftszweigen, in denen Digitalisierung eine deutlich effizientere Produktion verspricht. Allerdings sind die neuen Techniken, die allmählich Einzug im Agrarsektor halten, mit hohen Investitionen verbunden. Das verstärkt den Druck zur Bildung größerer Betriebseinheiten. Hinzu kommt die sich verschärfende Nachfolgeproblematik. Spätestens wenn die geburtenstarken Jahrgänge unter den Landwirten in den Ruhestand gehen, ist mit einem neuen Schub beim „Höfesterben“ in Deutschland zu rechnen.
Bis 2040 dürfte die Zahl der Betriebe von derzeit 266.700 (2018) auf rund 100.000 sinken. Bei einer weitgehend unveränderten landwirtschaftlichen Gesamtnutzfläche in Deutschland steigt die durchschnittliche Betriebsgröße von 62,4 auf ca. 160 ha. Gleichzeitig dürften sich die Arbeitsplätze im Sektor auf 325.000 halbieren. Angetrieben von veränderten Ernährungsgewohnheiten und Umweltschutzbemühungen gewinnt die Öko-Landwirtschaft an Bedeutung. Selbst wenn sich der aktuell starke Zuwachs an Bio-Höfen abschwächt, dürften die Öko-Bauern bis 2040 auf rund 45.000 zunehmen und der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen von derzeit 10 Prozent auf etwa ein Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands wachsen.
Langfristig droht jedoch die Abkehr vom Jahrhunderte alten Modell des bäuerlichen Familienbetriebs, den selbstständige Bauern, kleine Betriebseinheiten und mithelfende Familienangehörige kennzeichnen. Künftig werden immer stärker zwar inhabergeführte, aber große, kapitalintensive und betriebswirtschaftlich organisierte Agrarunternehmen die Branche prägen. Die neue Generation landwirtschaftlicher Unternehmen nutzt intensiv moderne Technik und greift trotz rückläufigem Arbeitskräfteeinsatz zunehmend auf familienfremde Fachkräfte zurück. Bessere „Überlebenschancen“ hat das Modell des bäuerlichen Familienbetriebs in der ökologischen Landwirtschaft.