Seltene Erden: Pekings Faustpfand

China hat im September so wenig Seltene Erden exportiert wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Australien dagegen will seine Ausfuhren an Seltenen Erden in naher Zukunft deutlich ausweiten, insbesondere der Absatz in den Vereinigten Staaten soll gesteigert werden. Mit Australien arbeiten die USA zurzeit an einem Kooperationsabkommen zur Förderung der Produktion Seltener Erden. Damit soll der weltweite, vor allem aber der US-Bedarf an den wichtigen Metallen von der Angebotsübermacht der Chinesen unabhängiger gemacht werden. Denn die Sorge ist groß, dass Peking ein Exportembargo der Rohstoffe gegen die USA verhängen könnte, seine dominante Position also als „Waffe“ im Handelsstreit einsetzt – auch wenn die beiden Seiten einer Beilegung des Konflikts zuletzt wieder ein kleines Stückchen nähergekommen sind.


Seltene Erden sind für heutige Technologien unverzichtbar, obwohl die Metalle nur in geringen Mengen benötigt werden. Ihre Einsatzgebiete erstrecken sich von der Automobilindustrie über die Optik und Medizin bis hin zu massentauglichen Hightech Produkten wie Smartphones. Auch für „grüne“ Technologien sind sie unerlässlich – leistungsfähige Magnete aus Seltenen Erden stecken in Elektromotoren und Windkraftanlagen. Umso beunruhigender ist es, dass Chinas Anteil an der weltweiten Produktion der Rohstoffe bei dominanten 70 Prozent liegt. Die USA beziehen 80 Prozent ihrer Einfuhren an Seltenen Erden direkt aus China. Damit haben die Chinesen ein Faustpfand in der Hand. Dass sie grundsätzlich bereit sind, dies auch einzusetzen, haben sie vor rund zehn Jahren unter Beweis gestellt, als sie Japan von der Versorgung mit Seltenen Erden abschnitten.


Noch gibt es keine bestätigten Informationen, dass China die Ausfuhren an Seltenen Erden bereits gekappt hat, lediglich Warnungen aus Peking. Ob es sich beim aktuellen Rückgang der Lieferungen tatsächlich um mehr handelt als die üblichen starken Schwankungen dieser Handelsströme, wird sich erst in zwei, drei Monaten mit größerer Sicherheit sagen lassen. Denn auch die Chinesen scheinen inzwischen zu zögern, einen Exportstopp zu verhängen, sonst hätten sie es vermutlich längst getan. Möglich, dass sie befürchten, die Angebotsverknappung könnte wie vor zehn Jahren zu einer Preisexplosion der Metalle führen und Chinas Konkurrenten stärken.


Zumindest klopfen die Amerikaner jetzt unter Hochdruck Alternativen ab – das Abkommen mit Australien gehört dazu, aber auch eigene Fördermöglichkeiten werden ausgelotet. Von „heute auf morgen“ werden sich die Lieferungen aus China aber nicht so leicht ersetzen lassen. Mit grob 10 Prozent Weltanteil an der Produktion Seltener Erden liegen Australien und die USA zurzeit weit hinter China. Außerdem handelt es sich dabei in erster Linie um den Abbau der Erze. Die arbeitsintensive und umweltschädliche Weiterverarbeitung erfolgt immer noch hauptsächlich in China. Hier müssen erst noch andernorts Kapazitäten geschaffen werden. Gleichzeitig sind die geschätzten Rohstoffvorkommen in Australien und den USA verglichen mit denen Chinas verschwindend gering. Es dürfte also nicht nur schwer werden, sich schnell, sondern auch, sich dauerhaft von Chinas Lieferungen Seltener Erden unabhängig zu machen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist es aber allemal.


 


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