Indien benötigt Impulse - Steuer- und Zinssenkungen sollen sie liefern
Indiens Wachstum hat im ersten Halbjahr 2019 klar enttäuscht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im ersten Quartal nur 5,8% über dem Vorjahreswert, im zweiten Quartal allen positiveren Prognosen zum Trotz sogar nur noch bei 5,0% (J/J). Das Land hat damit seinen Status als die am schnellsten wachsende Wirtschaft unter den großen Emerging-Markets-Ländern an China zurückgegeben, das trotz des Handelskonflikts mit den USA noch auf ein Wachstum von 6,4% im ersten und 6,2% im zweiten Quartal kam.
Sowohl der private Konsum als auch die Investitionen der Unternehmen haben im ersten Halbjahr Schwächen gezeigt. Während der Konsum vor allem von Liquiditäts- und Kreditengpässen im Finanzsektor beeinträchtigt wurde, litten die Investitionen unter hohen Unternehmenssteuern. Diese hat Premierminister Modi nach seiner Wiederwahl im Mai nicht, wie vielfach erwartet, gesenkt, sondern im Gegenteil erhöht. Nun hat er aber als Reaktion auf das schwache Wachstum ein expansives Fiskalpaket geschnürt, das seinen fiskalpolitischen Fehler rasch ausmerzen soll.
Vor allem die nun angekündigte Absenkung der Körperschaftssteuer für inländische Firmen von 30% auf 22% sticht ins Auge. Neue Start-up-Firmen sollen hier sogar nur mit 15% Körperschaftssteuer belastet werden. Dies dürfte die Investitionstätigkeit anregen. Zugleich ist aber einzuschränken, dass der Großteil der indischen Unternehmen kleine und mittelgroße Firmen sind und somit fast alle von der Körperschaftssteuer befreit sind. Die neue Steuerpolitik der Regierung dürfte daher zwar positive, aber insgesamt wohl eher begrenzte Makrowirkungen entfalten.
Die Notenbank spielt bei dem Versuch, die Gründe für das schwache Wachstum auszuräumen, kräftig mit und hat ihren expansiven Kurs am 4. Oktober mit der fünften Leitzinssenkung dieses Jahres bestätigt. Sie dürfte ihren Kurs fortsetzen, solange die Inflation so moderat bleibt wie zuletzt. Wegen der langen Reaktionszeit auf die neue Steuerpolitik sehen wir das BIP-Wachstum für 2019 weiter bei nur 5,25% und erwarten erst für nächstes Jahr eine Beschleunigung auf 6,5%.