Brexit-Effekte führen zum erste Wachstums-Minus in Großbritannien seit sechs Jahren

Der Brexit ist immer noch nicht vollzogen, hinterlässt aber bereits deutliche Spuren in der britischen Wirtschaft. Im zweiten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaftsleistung in Großbritannien um 0,2% gegenüber dem ersten Vierteljahr geschrumpft – das erste Minus seit Ende 2012. Wesentliche Bremseffekte kamen dabei vom Verarbeitenden Gewerbe, dessen Produktion um fast 2,5% sank und damit so stark einbrach wie seit der Finanzkrise 2008/09 nicht mehr. Der für die britische Wirtschaft wichtige Service-Sektor trat während der drei Frühjahrsmonate nur auf der Stelle, die Finanzindustrie setzte ihren Schrumpfkurs fort.


Noch sind es nicht die Handelshemmnisse selbst, die das britische Wachstum belasten. Sie wären im Falle eines ungeregelten EU-Austritts Großbritanniens zu erwarten – der seit Amtsantritt von Boris Johnson wieder wahrscheinlicher geworden ist – und würden die britische Wirtschaft aus unserer Sicht in eine tiefe Rezession stürzen. Aktuell sind es „nur“ Verzerrungen: Rückschläge nach den deutlichen Vorzieheffekten im ersten Quartal, als die Briten vor dem ursprünglichen Brexit-Termin hohe Vorräte angelegt haben, da sie im Falle eines „No-Deal“-Brexits mit Versorgungsengpässen rechneten. Besonders deutlich wird dieser Umschwung bei den Importen, die im ersten Quartal um über 10% stiegen und im Folgequartal um mehr als 12% sanken.


Vorerst dürfte die britische Wirtschaft aber nicht in eine Rezession geraten, ein erneutes Minus im laufenden Quartal ist eher unwahrscheinlich – schon allein, weil einige Autohersteller, die ihre Werksferien vorsichtshalber in den April vorverlegt hatten, nun außerplanmäßig während des Sommers weiterproduzieren. Auch dürften die Vorräte vor dem nächsten Brexit-Stichtag am 31. Oktober allmählich wieder aufgestockt werden.


Gleichwohl bleibt das Wachstum in Großbritannien insgesamt gedämpft. Denn bereits jetzt hat die Brexit-Perspektive das Land Wachstum gekostet. Die Investitionstätigkeit stagniert seit über einem Jahr, auch die Verbraucher greifen längst nicht mehr so tief in die Tasche wie früher. Rund 1% Wachstum dürfte die britische Wirtschaft nach unseren Schätzungen bereits eingebüßt haben. Unter der Annahme, dass ein Chaos-Brexit vermieden wird, rechnen wir für dieses und das nächste Jahr unverändert mit einem Wirtschaftswachstum von jeweils rund 1%.


 


Artikel bewerten

Vielen Dank für Ihre Wertung. Ihre Wertung:
Aktuelle durchschnittliche Bewertung des Artikels: 2.43