Die Babyboomer kommen
In Deutschland gibt es schon seit geraumer Zeit zwei große Erklärungsnotstände. Der eine ist Europa und warum Deutschland den Euro braucht, der andere dreht sich um die Folgen der Demographie für die Gesellschaft und den Sozialstaat. Um letzteres geht es hier. Die Folgen der demographischen Entwicklung lassen sich abmildern durch mehr Zuwanderung und einem sinnvollen Zuwanderungsgesetzt, höhere Investitionen und steigende Produktivität. Dazu braucht es noch eine spürbar höhere Aktienquote in den privaten Portfolios und eine bedarfsgerechte Wohnbauförderung.
Auch wenn die neue Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes etwas optimistischer ausfällt. Das Grundproblem einer alternden Gesellschaft mit zu wenig Kindern bleibt. Bereits in rund zehn Jahren, wenn die Babyboomer allmählich in Ruhestand gehen, beschleunigt sich der Altersstrukturwandel dramatisch. Die geburtenstarken Jahrgänge, die heute noch als Fachkräfte zur Produktion von Waren und Dienstleistungen beitragen, in die Sozialsysteme einzahlen und mit ihren Kindern in einem Haushalt leben, wechseln dann aus der Erwerbstätigkeit in die Rente. Weil die Generationen nach dem Pillenknick deutlich kleiner ausfallen und die Menschen länger leben, verschiebt sich das Schwergewicht in der Alterspyramide unserer Gesellschaft nach oben. Gewaltige Herausforderungen für die Arbeitsmärkte, die sozialen Sicherungssysteme und die Wohnungsmärkte sind die Folge.
Sinnvolle Reformschritte wie die Einführung der Pflegeversicherung, die RiesterRente, Anhebungen des gesetzlichen Renteneintrittsalters oder Unterstützungen für Familien mit Kindern wurden bereits unternommen. Auch das kürzlich vom Bundestag beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz dürfte künftig einen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen leisten. Diese Studie zeigt jedoch, dass die Maßnahmen bei weitem noch nicht ausreichen, um die Probleme zu lösen. Die größten Gefahren gehen von einem sich verschärfenden Fachkräftemangel, Lücken in der Altersvorsorge vieler Bürger sowie einem dauerhaften Wohnraummangel in Städten und für Senioren aus.
Die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Debatten belegen, dass es durchaus ein Problembewusstsein in Bezug auf den demographischen Wandel gibt. Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen allerdings oft Vorschläge, die lediglich die Lasten aus dem Altersstrukturwandel umverteilen, anstatt die Probleme wirklich zu lösen. Das gilt für Konzepte wie die Mütterrente oder die bedingungslose Grundrente, die lediglich einen Anspruch auf Rentenleistungen schaffen. Eine Antwort auf den demographischen Wandel bieten sie nicht. Im Gegenteil: Die Finanzierung der Rente wird dadurch immer schwieriger und die Lasten tragen die Jungen – unabhängig davon, ob die Finanzierung aus der Rentenkasse oder Steuermitteln erfolgt. Ähnliches gilt für Maßnahmen wie die Mietpreisbremse oder den Berliner Mietendeckel. Es profitieren lediglich die, die eine Wohnung haben. Das Problem des Wohnraummangels wird dadurch nicht bekämpft. Stattdessen werden Investoren abgeschreckt, Neubau- und Sanierungsaktivitäten erlahmen und städtische Wohnungen bleiben knapp, teuer und häufig sanierungsbedürftig. So lässt sich der Wohnungsbestand nicht an die sich mit dem demographischen Wandel ändernden Bedürfnisse anpassen. Es entsteht ein wachsender Investitions- und Sanierungsstau, dessen Beseitigung immer weiter in die Zukunft verschoben wird.
Gefragt sind vielmehr substanzielle Reformen, die die Probleme wirklich bekämpfen. Das bedeutet, die Maßnahmen müssen sich daran messen lassen, ob sie tatsächlich das Fachkräfteangebot verbessern, die Finanzierung der Renten bzw. den Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge sichern und bedarfsgerechten Wohnraum schaffen. Nachhaltige Lösungen für die gewaltigen demographischen Herausforderungen unserer Zeit sind eine Frage der Generationengerechtigkeit. Gefragt sind wirtschaftliche tragfähige Konzepte, die nicht zulasten nachfolgender Generationen gehen. Aber auch die Bürger können selbst einen Beitrag leisten, indem sie möglichst frühzeitig mit einer kapitalgedeckten Altersvorsorge beginnen und dabei auf eine ausgewogene Portfoliostruktur der angesparten Anlagemittel achten.