Spanien: Wirtschaftswachstum bleibt dynamisch - trotz politischer Sackgasse

Die politische Hängepartie in Spanien geht weiter. Nachdem der bisherige Ministerpräsident Pedro Sánchez auch in einer zweiten Abstimmungsrunde keine Mehrheit für seine Wiederwahl erhalten hat, bleiben nun die Optionen für einen dritten Wahlgang bis zum 23. September oder Neuwahlen am 10. November.

Die Privatwirtschaft sieht die politische Zukunft des Landes kritisch. Diverse Klimabarometer weisen zwar insgesamt weiterhin eine solide Zuversicht aus. Seit mehreren Monaten trübt sich das Stimmungsbild aber in der Industrie und bei den Dienstleistungen sowie unter den Verbrauchern sichtbar ein. Dafür kann nicht allein das grundsätzlich widrige Umfeld aus internationalen geopolitischen Risiken als Grund herangezogen werden.

Die Sorge vor möglichen negativen konjunkturellen Folgen eines politischen Stillstands dürfte jedoch überzeichnet sein. Das zeigt schon das Ergebnis für das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal. Laut einer Vorabschätzung der spanischen Notenbank lag der konjunkturelle Zuwachs bei starken 0,6% gegenüber dem Vorquartal. Das ist nur leicht schwächer als der Durchschnitt der letzten zwei Jahre und deutlich mehr als das, was der Euro-Raum insgesamt im zweiten Quartal wohl zu bieten hat.

Zudem steht der amtierenden kommissarischen Minderheitsregierung in Spanien über sogenannte Dekrete (vergleichbar mit Notverordnungen) durchaus ein umfangreicher politischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung, innerhalb dessen sie nicht die Zustimmung des Parlamentes benötigt. Insofern ist in den kommenden Monaten nicht unbedingt mit einer politischen „Lame Duck“ zu rechnen.

Für die weitere konjunkturelle Entwicklung sehen wir daher auch im Falle von Neuwahlen vorerst keine spürbaren Auswirkungen. Denn das Wachstum hat sich schon seit längerer Zeit von der politischen Realität abgekoppelt und trägt sich durch einen Mix aus einer starken Erholung am Arbeitsmarkt, Tourismusboom und kräftigen Investitionen. So rechnen wir für das Gesamtjahr 2019 mit einem Wirtschaftswachstum von starken 2,1%. Das ist mehr als doppelt so viel, wie wir für den Euro-Raum insgesamt erwarten.


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