ETFs und Co. – Fluch oder Segen für die Finanzmarktstabilität?

Geringere Kosten gegenüber aktiv gemanagten Fonds, eine Kursentwicklung nahe am Index und eine Diversifikation mit geringem Kapitaleinsatz: Es ist nicht verwunderlich, dass weltweit fast 5 Bio. US-Dollar in passiven Fonds (ETFs) verwaltet werden. Die niedrigen Kosten sind jedoch nur eine Seite der Medaille. Auch der Anlageprozess in einem ETF-Portfolio muss definiert und überwacht werden. Dazu gehören Aspekte wie die Definition der Benchmark, die Aktien- oder Indexauswahl, die Neugewichtung von Positionen sowie die Berücksichtigung von Themeninvestments und andere Besonderheiten. Investoren, die den Anlageprozess nicht selbst bestimmen und überwachen können oder wollen, müssen sich letztlich weiterhin auf externe Anbieter verlassen, was wiederum zu höheren Kosten führt.

Allerdings verwalten die beiden weltweit größten ETF-Anbieter zusammen das Äquivalent von 15% des US-BIPs. Das Volumen der verwalteten Fonds ist damit um ein Vielfaches höher als bei anderen Kapitalsammelstellen. Zum Vergleich: Lehman Brothers verwaltete vor seinem Konkurs im Jahr 2008 „nur“ rund 250 Mrd. US-Dollar im Anlagegeschäft. Aufgrund dieser Dimensionen stehen Wissenschaftler und Regulierungsbehörden immer wieder vor der Frage, ob die Existenz und Marktmacht von ETF-Anbietern ein Fluch oder ein Segen für die Finanzmarktstabilität ist.

Auch wir hatten uns vor einiger Zeit bereits intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Tatsächlich hat passives Investieren einen vielfältigen Einfluss auf die Finanzmärkte. Eines unserer wichtigsten Ergebnisse damals war die Beobachtung, dass ETFs aufgrund der trendstärkenden Wirkung und des hohen Fondsvolumens sowohl die Bildung von Preisübertreibungen als auch den Ausverkauf an den Märkten beschleunigen könnten. Darüber hinaus besteht ein Risiko für die Preisbildung, wenn Aktien ohne Berücksichtigung von Informationen und Analysen gekauft werden. In ETF-Segmenten mit engen Märkten besteht das Risiko, dass sich die in normalen Marktsituationen ausgewiesene Liquidität in Stressphasen als nicht existent erweist. Dabei stechen insbesondere die zahlreichen spekulativen Segmente im ETF-Markt hervor, vor allem gehebelte ETFs, aber auch andere Segmente innerhalb des Marktes für Hochzinsanleihen. Obwohl der ETF-Markt heute insgesamt als groß und sicher gilt, könnten die kleineren Segmente in Zukunft zunehmend volatiler werden. Anleger sollten hier „Unfälle“ einkalkulieren und sich stärker auf die großen Segmente konzentrieren.

Insgesamt gibt es aber wenig Anhaltspunkte dafür, dass die Risiken auf Gesamtmarktebene in naher Zukunft erheblich sein müssen. Im Gegenteil: Es ist in „normalen“ Marktphasen vielmehr zu begrüßen, dass Handelsliquidität durch die ETF-Anbieter bereitgestellt ist. Schließlich sind durch Regulierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre verschiedene Sammelstellen für Kapital (u.a. Eigenhandel der Banken) versiegt.

Der ETF-Markt sollte auf Sicht der kommenden Jahre weiterhin wachsen können. Während sich das Thema bei institutionellen Kunden seit geraumer Zeit etabliert hat, bleibt einer der Haupttreiber für passive Fonds das zunehmende Interesse von Privatanlegern, vor allem im Zusammenhang mit der privaten Altersvorsorge. Strukturell wirken sich Größenvorteile aufgrund der zunehmenden Marktmacht einiger weniger ETF-Anbieter auf die Kosten aus. Die nach wie vor überwiegend aktiv geprägte Fondsbranche wird auf das günstige Angebot passiv verwalteter Fonds mit mittelfristigen Kostensenkungen reagieren müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Die Anleger sollten letztlich vom Wettbewerb der Fondsanbieter und der neu entstehenden Vielfalt, auch bei aktiv gemanagten Fonds, als Sieger vom Platz gehen.


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