Demographischer Wandel: Nachhaltige Lösungen eine Frage der Generationengerechtigkeit
Das Statistische Bundesamt hat eine neue Bevölkerungsprognose vorgelegt. Zwar haben sich die Ausgangsbedingungen in den letzten Jahren durch die Zuwanderung junger Menschen sowie steigende Geburtenzahlen etwas verbessert. Das Grundproblem einer alternden Gesellschaft bleibt jedoch bestehen. Nach einer mittleren Variante der inzwischen 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung dürften die Einwohner Deutschlands bis 2060 um rund 5 Mio. Personen auf 78,2 Mio. sinken. Kommen heute noch fast 34 Menschen im Rentenalter auf 100 Menschen im Erwerbstätigenalter, werden es 2060 ungefähr 53 sein. Den stärksten Schub erfährt der Altersstrukturwandel bereits in rund zehn Jahren, wenn die Babyboomer in Rente gehen.
Die alternde Bevölkerung stellt die Arbeitsmärkte und sozialen Sicherungssysteme vor gewaltige Herausforderungen. Dazu zählen der Fachkräftemangel, ein sinkendes gesetzliches Rentenniveau sowie ein wachsender Pflegenotstand. Der Einwohnerschwund dürfte zudem die bereits heute beobachtbare Wanderung vom Land in die Städte verstärken. Eine Entlastung der Wohnungs- und Immobilienmärkte ist daher kaum zu erwarten. Vielmehr ist eine weitere Spaltung zu befürchten: Während dem ländlichen Raum Leerstand und aussterbende Dörfer drohen, bleibt städtischer Wohnraum knapp und teuer.
Dabei sind die skizzierten Herausforderungen nicht neu. Bereits nach dem Pillenknick wurden die Folgen des demographischen Wandels diskutiert. Und tatsächlich hat die Politik im Laufe der Zeit mit einer Reihe von Maßnahmen reagiert. Beispiele sind die Einführung der Pflegeversicherung, die Riester-Rente, Anhebungen des gesetzlichen Rentenalters, eine verbesserte Kinderbetreuung oder das kürzlich vom Bundestag beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Allerdings reichen die bisherigen Reformen bei weitem nicht aus. So sind bei vielen Bürgern inzwischen Lücken in der Altersvorsorge entstanden, die sich bis zur Rente kaum noch schließen lassen. Die Pflegeeinrichtungen sind heute schon überlastet. Ob das geplante Pflegelöhne-Verbesserungsgesetz den Pflegeberuf attraktiver machen kann, bleibt abzuwarten. Dagegen ist jetzt bereits klar, dass die Mietpreisbremse oder der Berliner Mietendeckel kontraproduktiv sind, wenn es darum geht, den Wohnungsbau anzukurbeln.
Gefragt sind vielmehr substanzielle nachhaltige Reformen wie der geplante Wegfall der Vorrangprüfung durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Damit müsste vor Einstellung einer Fachkraft aus einem Drittstaat nicht mehr geprüft werden, ob ein europäischer Bewerber zur Verfügung steht. Ein mutiger Reformschritt in der Altersvorsorge wäre die Realisation des kürzlich vom ifo Institut vorgeschlagenen Bürgerfonds. Danach soll sich der Staat zu niedrigen Zinsen verschulden und die Mittel breit diversifiziert in Aktien und Immobilien zu ansehnlichen Renditen anlegen. Die Überschüsse, die so über Jahrzehnte entstehen, können jüngeren und nachfolgenden Jahrgängen als ergänzende kapitalgedeckte Altersvorsorge dienen.
Eine echte Entlastung urbaner Wohnungs- und Immobilienmärkte kann nur über einen bedarfsgerechten Neubau gelingen. Im Mittelpunkt sollten daher die Entrümpelung von Bauvorschriften, die Bereitstellung von Baugrund, Nachverdichtungen und eine Entlastung bei der Grunderwerbsteuer stehen. Nachhaltige Lösungen für die demographischen Herausforderungen sind eine Frage der Generationengerechtigkeit. Gefragt sind wirtschaftlich tragfähige Konzepte, die nicht zulasten nachfolgender Generationen gehen.