Kryptowährungen profitieren vom aktuellen Umfeld
Bitcoin ist zurück – dieser Eindruck drängt sich zumindest auf, wenn man auf die Kursentwicklung der vergangenen Wochen blickt. Dümpelte die führende Kryptowährung Anfang April noch um die Marke von 4.000 US-Dollar, wurden zuletzt Kurse von über 11.000 US-Dollar erreicht. Zudem hat sich die Anzahl der täglichen Transaktionen gegenüber dem Jahresbeginn deutlich erholt und auf einem vergleichsweise hohen Niveau stabilisiert.
Als mögliche Kurstreiber für die Kryptowährung können mehrere Faktoren herangezogen werden. Im Zentrum stehen hierbei die in der jüngeren Vergangenheit zunehmenden Spannungen auf internationaler politischer Ebene. Bei den Handelsgesprächen zwischen den USA und China gab es zwar zuletzt wieder vorsichtige Anzeichen einer Annäherung, von einer Einigung dürften die Konfliktparteien jedoch weit entfernt sein. Noch gravierender stellt sich die Situation in der Auseinandersetzung zwischen Washington und Teheran dar. Ein Angriff des US-Militärs auf Ziele im Iran wurde jüngst erst ganz kurzfristig abgesagt. Die Demonstrationen in Hongkong tragen ihr Übriges zu einem Bild der internationalen Politik bei, das von bedeutenden Unwägbarkeiten geprägt ist.
Für Kryptowährungen wie Bitcoin, deren Vorteil es ist, unabhängig vom traditionellen Geld- und Finanzsystem zu sein, kommt ein weiterer Aspekt hinzu, der in den vergangenen Wochen Auftrieb gegeben haben sollte. So sind bedeutende Zentralbanken weltweit von ihrem in den letzten Jahren propagierten Bestreben abgerückt, die Leitzinsen anzuheben und damit die Geldpolitik zu normalisieren. In den USA und der EWU wurden jüngst expansive Maßnahmen in Aussicht gestellt. In Australien und Neuseeland sind die Währungshüter sogar schon einen Schritt weiter. Dort wurde der Leitzins bereits gesenkt.
Für Bitcoin & Co. ist dies gleich in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen stützt die Aussicht auf günstige, üppig vorhandene Liquidität die Nachfrage von Investoren nach mutmaßlich riskanteren Engagements auf der Suche nach Rendite. Zum anderen ist eine langanhaltend ultraexpansive Geldpolitik alles andere als förderlich für das Vertrauen der Allgemeinheit in die Stabilität von Währungen beziehungsweise des gesamten Währungssystems. Gerade im Zusammenhang mit dem letztgenannten Punkt scheinen Kryptowährungen neben Gold für einige Anleger eine Alternative darzustellen.
Und noch ein weiterer Punkt hat die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit und damit wohl auch das Anlegerinteresse zuletzt auf das Kryptowährungs-Segment gelenkt: die von einem Konsortium um Facebook geplante Digitalwährung auf Blockchain-Basis „Libra“. Dieser für die erste Jahreshälfte 2020 vorgesehene Stable Coin mag zwar noch zahlreiche große Stolpersteine vor sich haben, allerdings hätte Libra ein enormes Potenzial - bis hin zu einer neuen weltweiten Einheitswährung. Ob sich diese Einschätzung als zutreffend erweist oder Libra bald wieder in der Schublade verschwindet, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt aber noch nicht sagen.
Die Schwachstellen der führenden Kryptowährung, darunter der fehlende intrinsische Wert, die mangelnde Akzeptanz in der breiten Bevölkerung und die hohe Volatilität, haben sich in den letzten Wochen nicht verändert. Vielmehr waren diese bei Kursen um 4.000 US-Dollar ebenso ausgeprägt wie auf dem aktuellen Niveau - genauso wie die Nachrichten über Diebstähle sowie Gerüchte um Kursmanipulationen. Eine Garantie, dass die zuletzt zu beobachtende Aufwärtsbewegung anhält oder gar nur den Anfang einer neuen Kursrally darstellt, gibt es also nicht. Feststellen lässt sich indes, dass die genannten Faktoren, die zur positiven Dynamik beigetragen haben dürften, vorerst nicht verschwinden sollten.