Frankreich: Proteste tun dem Reformeifer keinen Abbruch
Eines muss man Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron lassen: Er lässt sich durch die Proteste der Straße nicht von seinem angekündigten Reformkurs abbringen. Nachdem die Gelbwesten immer mehr an Zulauf verlieren, riskiert er nun den Streit mit den Gewerkschaften. Nach der Arbeitsmarktreform aus dem Jahr 2017 mit erleichterten Kündigungs- und Einstellungsregeln, wurden nun jüngst den Sozialpartnern Details für die geplante Reform des Arbeitslosenversicherungssystems präsentiert.
Zu den Eckpunkten der Reform zählen etwa längere Arbeitszeit für den Zugang zu Leistungen der Arbeitslosenversicherung und eine Begrenzung der Leistungen für Besserverdienende. Bisher konnte die Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen werden, wenn man in 28 Monaten mindestens 4 davon gearbeitet hatte. Künftig müssen Antragssteller mindestens 6 Monate angestellt gewesen sein. Zudem werden die Leistungen in Zukunft verstärkt vom vorhergehenden Einkommen abhängig gemacht. Bei Geringverdienern soll verhindert werden, dass sie sich durch Arbeitslosigkeit besserstellen können. Im Durchschnitt erhält ein Leistungsempfänger rund 1020 Euro pro Monat. Bei Besserverdienenden ab 4500 Euro pro Monat werden demnächst ab dem siebten Bezugsmonat 30 Prozent der Ansprüche gekürzt.
Um die Attraktivität unbefristeter Arbeitsverträge zu erhöhen, soll zudem ein Bonus/Malus-System eingeführt werden, zunächst aber nur für einige Branchen. Für Unternehmen soll es attraktiver werden, mehr längere Arbeitsverträge zu vergeben. Je mehr Mitarbeiter einer Firma arbeitslos werden, desto stärker sollen die Beiträge der entsprechenden Firma zur Arbeitslosenversicherung steigen.
Mit der Reform, die wahrscheinlich als Dekret ohne vorherige Parlamentsabstimmung verbschiedet wird, will die Regierung zum einen Einsparungen bei der Arbeitslosenversicherung von 3,4 Mrd. Euro bis 2022 erzielen und zum anderen die Beschäftigung stimulieren. Immerhin ist das Defizit der Arbeitslosenkasse in den letzten Jahren stetig gestiegen und belief sich Ende 2018 auf rund 35 Mrd. Euro.
Die Reform ist für die Sozialpartner, die gemeinsam die Arbeitslosenversicherung verwalten, ein Affront. Gemeinsame Verhandlungen der Regierung mit den Sozialpartnern über die die Neugestaltung der Arbeitslosenversicherung scheiterten im Februar dieses Jahres. Daher hat sich Macron nun für den Alleingang entschieden.
Proteste dürften – wie von Frankreich gewohnt – die Folge sein. Die Gewerkschaften lehnen die sozialen Einschnitte ab. Die Arbeitgeber sehen in der Neugestaltung zusätzliche Erschwernisse und implizit eine stärkere Besteuerung. Eine höhere Beschäftigung erwarten sie davon nicht.
Zwar bleibt die Arbeitslosenversicherung trotz der für 2020 dann geltenden Reform im internationalen Vergleich relativ generös. Das Signal, dass die Regierung Macron aussenden will, ist aber, dass sie sich nicht durch Widerstände von dem angekündigten sozialpolitischen Reformkurs abbringen lassen will. Man kann nur hoffen, dass es dabei bleibt.