Aktienmärkte mit Kursrisiken im zweiten Halbjahr – Prognosen gesenkt

Aktienanleger können sich mit der Kursentwicklung der vergangenen Jahre wohlfühlen. Die Unternehmensgewinne sind weltweit gestiegen, und die Investoren haben eine hohe Rendite auf ihr Kapital erhalten. Aber die unmittelbare Zukunft, insbesondere die kommenden zwölf bis 18 Monate, könnte rauer werden, als es die Anleger in den vergangenen Jahren gewöhnt waren. Der Hauptgrund hierfür ist, dass die Konjunktur in den USA stärker an Fahrt verlieren dürfte. In Europa und Deutschland läuft die wirtschaftliche Entwicklung ohnehin schon seit längerem nicht mehr auf vollen Touren. Auch wenn die US-Notenbank voraussichtlich 2019 mit Zinssenkungen auf den Konjunkturabschwung reagieren wird, ist es bereits heute absehbar, dass unsere Konjunkturprognosen für das US-Wachstum, die EU und China infolge der zunehmenden Handelsbelastungen nicht mehr haltbar sind.

In unserer neuen Prognose wird die bisher von uns erwartete Erholung der Gewinne der DAX-Unternehmen Vergangenheit. Die Beschaffungs- und Lieferketten inländischer Industrieunternehmen sind eng mit dem globalen Warenfluss verflochten, sodass Bremswirkungen durch das ausgeweitete US-Zollregime unvermeidlich erscheinen. Bisher hatten wir für die deutschen Vorzeigekonzerne eine leichte Gewinnsteigerung von rund 3% gegenüber dem Vorjahr erwartet. In Anbetracht eines zukünftig härteren Zollregimes seitens der US-Amerikaner und diverser anderer (alter) Baustellen (zum Beispiel Brexit, Italien) dürften die stark zyklischen DAX-Unternehmen nun sogar einen leichten Gewinnrückgang hinnehmen müssen.

Eine solch schwache Ertragsentwicklung stünde im Kontrast zu der in diesem Jahr sehr lebhaften Kursentwicklung. Diese ist zwar auch auf einen schlechten Jahresabschluss 2018 zurückzuführen, aber die Aktienkurse können letztlich nicht dauerhaft schneller steigen als die Unternehmensgewinne. Wir gehen davon aus, dass die Unternehmen im DAX in den kommenden Monaten die noch recht optimistischen Wachstumsannahmen (plus 6%) nach unten revidieren werden müssen, um die steigenden Belastungen im Welthandel realistisch abzubilden. Insbesondere die Gewinnerwartungen bei den zyklischen Unternehmen dürften überdurchschnittlich gesenkt werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Aktien im historischen Vergleich nicht mehr günstig sind. Die aktuelle Bewertung des DAX-Index liegt bei 12,3 (Euro Stoxx 50: 12,7), basierend auf den Ergebnisschätzungen zwölf Monate voraus, und damit rund 9% (11%) über dem längerfristigen Durchschnitt von 11,8 (11,7). In Verbindung mit überhöhten Ertragserwartungen ist diese Bewertung, historisch gesehen, zu hoch, auch wenn die Bewertungskennzahlen der Aktienmärkte aufgrund niedriger Zinsen und Kapitalmarktrenditen aktuell eine leichte Prämie verdient hätten.

Für die Aktionäre stehen in den kommenden zwölf Monaten weiterhin die hohen Dividendenausschüttungen im Vordergrund. Sie gewinnen in einem Umfeld schwach wachsender Unternehmensgewinne an Bedeutung. Dank der Dividenden erhalten die Anleger ein festes Einkommen, das den Zinssatz für Anleihen so stark übersteigt wie seit langem nicht mehr. Damit wird zumindest das Warten auf bessere wirtschaftliche Zeiten kompensiert.

Aufgrund der anhaltenden politischen Unsicherheiten und der damit verbundenen Wachstumsverlangsamung revidieren wir unseren Aktienmarktausblick für den DAX und den Euro Stoxx 50 auf 12.200 und 3.450 (bisher 13.000 / 3.700) Punkte zum 30. Juni 2020. Für Ende 2019 erwarten wir, dass die beiden Leitindizes 11.500 und 3.400 Punkte erreichen, verglichen mit 12.000 beziehungsweise 3.600 Zählern. Wir gehen davon aus, dass sich der Euro Stoxx 50 leicht besser entwickeln wird als der zyklischere DAX.

 

 


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