Antizyklischer Kapitalpuffer mit begrenzter Wirkung

Seit Jahren hält die EZB die Zinsen im Keller und treibt damit die Aktien- und Immobilienmärkte in die Höhe. Nun soll es der antizyklische Kapitalpuffer richten. Damit sollen in wirtschaftlich guten Zeiten Reserven im Bankensystem aufgebaut werden, die als Vorsorge zur Deckung von Verlusten dienen. Sollten sich die zyklischen Systemrisiken abbauen, kann der Puffer wieder verringert werden. Vor allem in Stressphasen soll so die nachhaltige Kreditvergabe an die Realwirtschaft unterstützt werden.

Nach einer Empfehlung des deutschen Ausschusses für Finanzmarktstabilität (AFS) soll der inländische antizyklische Kapitalpuffer ab dem dritten Quartal 2019 aktiviert und auf 0,25% festgesetzt werden. Ab diesem Zeitpunkt haben die Banken in Deutschland zwölf Monate Zeit, die zusätzlichen Kapitalvorgaben zu erfüllen. Der AFS begründet die Entscheidung mit zyklischen Systemrisiken, die sich in der langen Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs und niedriger Zinsen gebildet haben. Genannt werden potenziell unterschätzte Kreditrisiken, überbewertete Kreditsicherheiten durch Immobilienpreisanstiege und Zinsänderungsrisiken.

Tatsächlich befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer langen Aufschwungphase. Die Kreditmärkte wachsen kräftig und die Immobilienpreise sind stark angestiegen. Allerdings dürfte sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland von 1,4% im letzten Jahr auf voraussichtlich rund 1% in diesem Jahr weiter abschwächen. Auch die Kreditmärkte sind bereits in Richtung Wachstumsverlangsamung eingeschwenkt: Die Unternehmenskredite erreichten ihren Höhepunkt im Dezember letzten Jahres mit einer bereinigten Zwölf-Monats-Wachstumsrate von 6,5%, die sich bis März 2019 auf 6,0% abgeschwächt hat. Das Wachstum der Kredite an private Haushalte erreichte bereits im November 2018 mit 3,9% seinen Höhepunkt und verharrt seitdem auf diesem Niveau. Auch im historischen Vergleich deuten die aktuellen Wachstumsraten der Wirtschaft und der Kreditmärkte nicht auf eine Überhitzung hin.

Dagegen sind die Immobilienpreissteigerungen in verschiedenen städtischen Ballungszentren tatsächlich bedenklich. Die Preisanstiege sind vor allem auf ein zu geringes Immobilienangebot zurückzuführen. Fehlendes Bauland, Kapazitätsengpässe der Bauindustrie und ausufernde Bauvorschriften sind die Gründe dafür, dass der Wohnungsneubau dem Bedarf nicht hinterherkommt. Allerdings hat sich der Preisauftrieb dank des anziehenden Neubaus und des hohen Preisniveaus bereits verlangsamt. Eine Fehlallokation von Kapital in den Bau von Wohnungen, die keiner benötigt, ist dagegen nicht zu erkennen. Im Gegenteil, es wird immer noch zu wenig gebaut. Ein antizyklischer Kapitalpuffer, der die Kreditvergabe wirksam bremst, würde die Probleme auf dem Immobilen- und dem Wohnungsmarkt noch verstärken. Steigende Mieten und Immobilienpreise lassen sich nur mit einem bedarfsgerechten Wohnungsneubau nachhaltig bekämpfen.

Die gute Nachricht ist, dass die meisten Kreditinstitute die erhöhten Kapitalanforderungen aus bereits vorhandenem Überschusskapital erfüllen können. Das begrenzt die bremsende Wirkung auf die Kreditvergabeaktivitäten der Banken in Deutschland.


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