Aktien trotzen Widrigkeiten, DAX mit Kurs auf 12.700 Punkte

Wir waren mit unseren Aktienmarktprognosen für das Anlagejahr 2019 zu pessimistisch: Unser Jahresendziel 2019 von 12.000 Punkten im DAX wurde bereits Anfang April erstmalig erreicht. Unser Kursziel für den DAX und den Euro Stoxx 50 war seither leicht negativ. Anlegern, die investiert waren, dürfte unsere zu pessimistische Prognose verkraften können, schließlich haben sie in kürzerer Zeit deutlich mehr verdient als erwartet. Tatsächlich überschreitet der bisherige Kursanstieg des DAX 2019 (+16,4%) die durchschnittliche Rendite des Index seit 1987 um mehr als das Doppelte. Getrieben wird die Kursrallye jedoch nicht etwa durch sprudelnde Unternehmensgewinne, sondern vielmehr die geringe Ausgangsbasis der Kurse zu Jahresanfang, nachdem es im vierten Quartal 2018 zu einer starken Korrektur gekommen war.

Die bisher vorgelegten Ergebnisse zum ersten Quartal waren allerdings weder in den USA noch in Europa berauschend. Das Gewinnwachstum der Euro Stoxx 50 Unternehmen stagniert, während der S&P 500 nur ein Wachstum von zwei Prozent verzeichnete. In Deutschland lagen die Unternehmensgewinne mit einem durchschnittlichen Rückgang von drei Prozent sogar unter dem Vorjahr. So kam es zu Beginn des Jahres 2019 zunächst zu dem, was wir seit Spätherbst 2018 erwartet hatten: Eine deutliche Verlangsamung der Unternehmensgewinnentwicklung in den großen Aktienindizes und ein Rückgang im konjunkturell sensitiveren DAX. Für das Gesamtjahr 2019 erwarten wir keine größeren Gewinnsprünge der Unternehmen, dazu wächst die Konjunktur im Euroraum zu schwach. Die Unternehmensgewinne im Euro Stoxx 50 und DAX sollten nicht mehr als fünf Prozent wachsen können.
Trotzdem kehrt die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Konjunktur zunehmend zurück. Hinzu kamen die fallenden Kapitalmarkrenditen, die Aktienanlagen im relativen Vergleich attraktiver erscheinen lassen. Auch wenn die Unternehmen im Spätzyklus ein langsameres Umsatz- und Gewinnwachstum als noch vor einigen Jahren aufweisen, so wachsen diese Größen immer noch. Auch sehen Anleger, dass die Unternehmen vieler Orten auf die konjunkturell schwache Entwicklung reagieren, indem sie versuchen, die Kosten zu senken. Dies dürfte die Gewinnentwicklung stabilisieren.

Wir erwarten, dass sich dies ab dem zweiten Halbjahr 2019 vermehrt in den Unternehmenszahlen widerspiegeln wird. Dank besserer Nachrichten sollte auch die Nachfrage nach Aktien wieder zunehmen und DAX und Euro Stoxx 50 bis Jahresende noch etwas ansteigen. Im Jahr 2020, zumindest in der ersten Hälfte, unserem derzeit längsten Prognosehorizont, sollten die Indexgewinne wieder stärker steigen. Zwar wächst auch im kommenden Jahr die Konjunktur im Euroraum voraussichtlich nur schwach, jedoch bietet das erwartete weltwirtschaftliche Wachstum (DZ-Prognose: +3,4% real) 2020 genügend Raum für einen leichten Zuwachs bei den Unternehmensgewinnen im exportstarken Euro Stoxx 50 und DAX im Bereich von sieben bis acht Prozent. Schaffen es die DAX-Unternehmen 2020 tatsächlich erstmalig die von Analysten erwarteten 1.000 Indexpunkte im Nettogewinn zu erwirtschaften, wäre der DAX im Juni 2020 bei 13.000 Punkten mit einem KGV von 13,0 bewertet. Dies wäre ein leichter Bewertungsaufschlag zum KGV-Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Dieser erscheint gerechtfertigt, weil die Anleger im Sommer 2020 ohnehin schon mit einem Auge die 2021er-Schätzungen ins Visier nehmen und es auch im nächsten Jahr keine Alternativen auf der Zinsseite geben wird, die Aktien weniger spannend machen. Auch werden die Bewertungskennzahlen der Aktienmärkte durch die niedrigen Zinsen und Kapitalmarktrenditen nach oben verzerrt. So sinken mittelfristig mit den niedrigen Zinsen die Refinanzierungskosten der Unternehmen.

Dreh- und Angelpunkt in den kommenden zwölf Monaten bleiben für die Aktionäre die vergleichsweise hohen Dividendenausschüttungen (DAX 3,5%, Euro Stoxx 50 3,9%), die im Umfeld schwach wachsender Unternehmensgewinnen an Bedeutung gewinnen. Anleger erhalten dank Dividende eine attraktive "Stillhalteprämie", die die Verzinsung von Anleihen so deutlich wie seit langer Zeit nicht mehr übersteigt. Damit wird das Warten auf bessere konjunkturelle Zeiten entschädigt. Die Risiken für unseren skizzierten Börsenkursverlauf sind im Wesentlichen die gleichen wie im vergangenen Jahr, insbesondere der Handelsstreit zwischen den USA und China, die Gefahr eines ungeordneten Brexits sowie ein Zinsschock.
Unsere neuen Prognosen für den DAX und Euro Stoxx 50 lauten:

 


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