Die Hoffungen der EZB kollidieren mit der Wirklichkeit

Die Währungshüter haben im Rahmen ihrer heutigen Ratssitzung keine neuen geldpolitischen Maßnahmen beschlossen. Dies war grundsätzlich auch nicht zu erwarten, da die EZB jüngst ihre Forward Guidance verlängert und neue Liquiditätsmaßnahmen auf den Weg gebracht hatte. Im Hinblick auf die TLTRO III hat Draghi in Aussicht gestellt, dass deren genaue Rahmenbedingungen im Zuge einer der nächsten Ratssitzungen bekanntgegeben werden. Es wurde hervorgehoben, dass sich die Ausgestaltung der TLTROs sowohl an der Entwicklung der europäischen Konjunktur als auch an der Kreditvergabe der Banken orientiert. Es deutet sich an, dass die Notenbank-Oberen im Rahmen der Juni-Ratssitzung über die TLTRO III-Details entscheiden werden. Zu diesem Zeitpunkt werden turnusgemäß die BIP-Projektionen überarbeitet. Bemerkenswert ist, dass Draghi im Eingangsstatement hervorgehoben hat, dass die EZB die Auswirkungen auf des Niedrigzinsumfelds auf den Bankensektor untersuchen werde. Dies stützt Spekulationen, wonach die Notenbank einen abgestuften Einlagesatz/Freibetrag einführen könnte. Der EZB-Chef war zwar bemüht zu betonen, dass die Währungshüter diesbezüglich noch keine Entscheidung getroffen haben, doch haben die Marktakteure bereits ihre Schlüsse gezogen. Die EONIA Forward Notierungen (1J+1J) haben weitere Abwärtsdynamik entwickelt. Nach Einschätzung des Marktes eröffnet ein abgestufter Einlagesatz es der EZB grundsätzlich den Einlagensatz noch weiter in den negativen Bereich zu drücken.

Draghi räumte ein, dass die Konjunkturdaten zuletzt schwächer ausgefallen waren als erwartet. Zugleich betonte er aber angesichts einer zunehmenden Beschäftigung und steigender Löhne die grundlegende Stärke der europäischen Konjunktur. Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession sei niedrig. In der letzten Sitzung hieß es hierzu aber noch "unwahrscheinliches Ereignis". Die deutlich niedrigeren Inflationserwartungen (5J+5J) bereiten der EZB keine übermäßigen Sorgen. Hierin spiegeln sich nach Einschätzung Draghis lediglich die eingetrübten Konjunkturaussichten wider.

Letztlich wirkte Draghi bei der heutigen Pressekonferenz wenig souverän. Einerseits versuchte der Notenbankchef im Hinblick auf die Konjunktur- und Inflationsaussichten verhaltenen Optimismus zu verströmen. Anderseits drängt sich der Eindruck auf, dass im Hintergrund bereits die nächste geldpolitische Lockerung vorbereitet wird, weil man befürchtet, dass sich die Abwärtsrisiken materialisieren. Mit der Diskussion um im Rat umstrittenen und unklare neuen Maßnahmen wird weiterhin Unsicherheit geschürt.


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