Deutschland muss mehr Geld ausgeben – kann aber nicht

Deutschland soll mehr Geld ausgeben. Das ist kurzgefasst die Forderung von IWF und OECD. Es sollen die Staatsausgaben steigen, um die Infrastruktur zu verbessern und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit. Zurzeit ist die Notwendigkeit für diese Maßnahmen aber nicht unmittelbar sichtbar. So ist Deutschland im Standortranking des World Economic Forum in 2018 um 3 Plätze auf dem 3 Platz gestiegen. Es scheint also weitere Gründe für diese Forderungen zu geben, vor allem die Sorge um die Wachstumsaussichten für Deutschland.

Ein wichtiger Hintergrund für diese immer vehementer vorgetragene Forderung dürften die schwindenden Handlungsspielräume der Zentralbanken sein und hier insbesondere der EZB. Die amerikanische Notenbank ist zurzeit die einzige große Notenbank, die problemlos stärkere Konjunkturimpulse geben könnte. Damit bekommen fiskalpolitische Maßnahmen eine merklich höhere Bedeutung, um der aktuellen Wachstumsverlangsamung zu begegnen.

Deutschland hat auf den ersten Blick den dafür notwendigen fiskalpolitischen Spielraum. Die Staatsverschuldung Deutschlands hat sich in den letzten 5 Jahren spürbar um rund 15 %-Punkte auf etwa 60 % in 2018 verringert. Im gleichen Zeitraum hat sich die Staatsverschuldung in den USA leicht von 105 % auf 106 % erhöht und in der EWU ohne Deutschland ist sie um knapp vier auf 98 % gesunken.

Auf den zweiten Blick sieht die Sachlage leider etwas anders aus. In den letzten Jahren hat man viele sozialpolitische Entscheidungen getroffenen, die Deutschland in den kommenden Jahren noch belasten werden. So sind die Sozialausgaben in den letzten 5 Jahren im Bundeshaushalt um mehr als 20 % auf rund 950 Mrd. Euro gestiegen. Dies wird sich in den kommenden Jahren wohl noch stärker bemerkbar machen. Ein schwächeres Wachstum und die unweigerlich kommenden demographischen Verschiebungen sollten zu einem weiteren Anstieg der Sozialkosten führen. Sicherlich muss die Regierung auch in diesem Gebiet die notwendigen Weichenstellungen vornehmen und die schwächeren Gruppen der Gesellschaft fördern und unterstützten, aber eine stärkere Balance zwischen sozialpolitischen Entscheidungen und zukunftsgerichteten Investitionen wäre wünschenswert.

Aber selbst wenn man all diese Bedenken bei Seite lässt. Eine kurzfristige Ausweitung der fiskalpolitischen Impulse ist kaum möglich. Die Unternehmen, die die entsprechenden staatlichen Aufträge abarbeiten, hätten für eine Ausweitung der staatlichen Aktivitäten keine Kapazitäten. Bereits jetzt werden viele Fördertöpfe auf kommunaler Ebene nicht mehr ausgeschöpft, da die geeigneten Unternehmen keine Aufträge mehr annehmen können. Zudem ist wegen des Facharbeitermangels eine schnelle Kapazitätsausweitung nicht oder kaum möglich.

Auf dem ersten Blick scheinen die Forderungen nach größeren fiskalpolitischen Impulsen in Deutschland sinnvoll und schlüssig und es dürfte auch einige Impulse geben. Sichtbare Effekte dürften jedoch an ganz profanen Umständen scheitern. Dies entlässt die Regierung jedoch nicht aus der Pflicht, eine Zukunftsagenda für Deutschland zu erarbeiten. Ein undifferenziertes Ansteigen der Sozialausgaben mit Blick auf die kommenden Wahlen ist sicherlich nicht der richtige Weg. Vielmehr gilt es jetzt die Weichen für den Standort Deutschland zu stellen. Damit Deutschland auch im digitalen Zeitalter und bei den kommenden demographischen Herausforderungen weiterhin ein attraktiver Standort bleibt.


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