China senkt Wachstumsziel – das ist kein Drama

Chinas Regierung hat das Wachstumsziel für dieses Jahr gesenkt. Das ist nicht notwendigerweise eine schlechte Nachricht, völlig überraschend kam der Schritt ebenfalls nicht. Bereits in den vergangenen Wochen hatten zahlreiche Provinzen ihre Zielvorgaben gedrosselt. Die Konjunkturindikatoren seit Jahresbeginn sind überwiegend schwach ausgefallen. Dass die Aussichten für Chinas Wirtschaft derzeit sicherlich alles andere als rosig sind, ist kein Geheimnis. Immer deutlichere Bremsspuren in der Konjunktur Chinas hinterlässt der Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten, und zwar nicht nur die US-Strafzölle auf chinesische Warenlieferungen, sondern auch die Gegenzölle Pekings auf Einfuhren aus den USA.

Konsequenterweise hat Ministerpräsident Li bei seiner Eröffnungsrede auf dem soeben begonnenen Nationalen Volkskongress auch den transpazifischen Handelskonflikt für das Absenken der Zielvorgaben verantwortlich gemacht. Allerdings ist der Schritt klein: Statt um „etwa 6,5%“ soll die chinesische Wirtschaft im laufenden Jahr um 6% bis 6,5% wachsen. Trotzdem dürfte das Wirtschaftswachstum, nachdem es mit zielkonformen 6,6% im vergangenen Jahr bereits auf den niedrigsten Stand seit 1990 abgebremst hat, dieses 28-Jahres-Tief nun noch einmal unterbieten.

Die gute Nachricht ist: Damit hat die chinesische Führung Spielraum gewonnen, etwas niedrigere Wachstumsraten zuzulassen und muss das Wachstum zumindest nicht im großen Stil mit schuldenfinanzierten staatlichen Infrastrukturprojekten wieder ankurbeln. Dass diese Maßnahmen zum Teil bereits angestoßen wurden, zeigen die letzten Zahlen zur Kreditvergabe und zur staatlichen Investitionstätigkeit. Peking dürfte die Stimuli nun aber etwas sparsamer dosieren. Das ist vor allem für die gefährlich hohe Verschuldung des Landes eine wichtige Entlastung, die im vergangenen Jahr wieder merklich angestiegen ist.

Mit der Absenkung des Wachstumsziels passt sich die chinesische Regierung vor allem der Realität an. Es wäre ohnehin fraglich gewesen, ob die bisherige Zielvorgabe von 6,5% trotz konjunkturpolitischer Stimuli so ohne Weiteres zu erreichen gewesen wäre, oder ob Peking die offiziellen Zahlen nicht hätte „aufbessern“ müssen, um den Zielwert einzuhalten – eine Praxis, die seit Langem vermutet wird. Wir gehen deshalb noch nicht einmal davon aus, dass die tatsächliche Wachstumsdynamik in China im laufenden Jahr nun wesentlich schwächer ausfallen wird als bislang vermutet oder das Land deutlich weniger importieren wird. Letztlich ist die offizielle Wachstumsrate für die chinesische Wirtschaft vor allem eine politische Zahl.


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