Indien vor den Wahlen: Kann die BJP ihre absolute Mehrheit verteidigen?

Bei den kommenden Parlamentswahlen in Indien im April-Mai muss die regierende national-hinduistische BJP-Partei von Ministerpräsident Modi ihre absolute Mehrheit der Sitze im Unterhaus verteidigen. Das dürfte nicht leicht werden, weil viele Bevölkerungsgruppen im Lande nicht richtig an den Erfolgen der Reformpolitik unter Modi teilhaben. In den ländlichen Regionen sind die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung sehr hoch und der Unmut gegen die Regierung ebenfalls. Die säkulare Congress Party des Gandhi-Clans hat so in der Wählergunst stark aufgeholt. Im letzten Dezember ist es ihr gar gelungen, in drei hinduistischen Kernstaaten die Stimmenverhältnisse regelrecht umzukehren und der BJP die Mehrheit in den dortigen Landesparlamenten abzujagen.

Dabei ist die wirtschaftliche Bilanz der Modi-Regierung eigentlich sehr positiv. Die Industriepolitik „Make in India“ hat bereits viele ausländische Direktinvestoren ins Land geholt. Durch Reformen hat sich Indien im „Ease-of-doing-business“-Index der Weltbank stark verbessern können und stieg von Rang 142 (2014) auf aktuell Rang 77. Die Einführung der landesweit einheitlichen Mehrwertsteuer Mitte 2017 hat das ineffiziente Nebeneinander von regionalen Verbrauchssteuern beendet und die Bedingungen für den Binnenhandel auf dem Subkontinent verbessert. Aber Modi werden auch Fehler angekreidet, so etwa die „Bargeldreform“ von 2016, die zu temporären Einbrüchen der Wirtschaftsleistung geführt hatte. Kritisch ist auch, dass er zuletzt Druck auf die Notenbank ausgeübt hat, um sie zu einer expansiveren Geldpolitik zu veranlassen und um höhere Dividendenzahlungen an den Staat zu erwirken. Modi hat so die Unabhängigkeit der Notenbank angetastet.

Die meisten Wahlbeobachter gehen derzeit davon aus, dass die BJP bei den Wahlen zwar Stimmen und unter Umständen ihre absolute Mehrheit der Sitze verlieren wird, mit Hilfe von Koalitionspartnern aber führende Regierungspartei bleibt. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Congress Party zuletzt vom Unmut benachteiligter Bevölkerungsgruppen profitiert und in der Gunst der Wähler stark gewonnen hat. Auch scheint sie für eine Vielzahl von kleineren Parteien ein eher geeigneter Koalitionspartner zu sein als die BJP. Es wäre zwar eine kleine Sensation, wenn die Congress Party, gemeinsam mit Koalitionspartnern, die Unterhausmehrheit erringt und ein Mandat für einen Regierungswechsel erhält. Ausgeschlossen ist ein solcher Wahlausgang aber nicht!

Unabhängig vom Wahlausgang im Mai aber dürfte das Umfeld für weiteres Wachstum in Indien dieses Jahr recht günstig bleiben. Niedrigere Importkosten für Energie und Vorprodukte werden die Aktivitäten im Verarbeitenden Gewerbe positiv beeinflussen. Der Konsum der Mittelschicht dürfte stark bleiben und die Konsumnachfrage insgesamt treibende Kraft der Konjunktur bleiben. Die von beiden großen Parteien angekündigten Einkommenshilfen für ärmere Bevölkerungsteile helfen der Konjunktur ebenfalls. Somit sehen wir für 2019 und 2020 gute Chancen auf ein reales Wirtschaftswachstum von jeweils rund 7 ¼ Prozent, also Zuwächse in gleicher Größenordnung wie die soeben gemeldete Rate von 7,4 Prozent im Jahr 2018.

 


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