Spanien steht vor Neuwahlen

In Spanien hat das Unterhaus bereits am Mittwoch den Haushaltsentwurf von Premier Sánchez mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Die separatistischen Parteien Kataloniens, auf deren Unterstützung die Minderheitsregierung von Sánchez angewiesen ist, stimmten mit den Konservativen und den Liberalen gegen das Budget. Sánchez hatte zuvor die Forderungen der Unabhängigkeitsparteien abgelehnt, sich unter anderem gegen das Gerichtsverfahren gegen die Separatistenführer wegen des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums im Oktober 2017 auszusprechen. Damit sind Neuwahlen sehr wahrscheinlich – schon wieder! Sánchez möchte dazu heute nach einem Kabinettstreffen Stellung nehmen. Mögliche Wahltermine sind der 14. oder 28. April oder der 26. Mai, wenn die Spanier auch für die Europa- sowie die Regional- und Kommunalwahlen an die Urnen treten.

Auf Basis der aktuellen Umfragen würden die Sozialisten die stärkste Fraktion im Parlament stellen. Die parlamentarische Mehrheit bliebe aber in weiter Ferne. Selbst eine potenzielle Koalition mit der linkspopulistischen Unidos Podemos bringt es aktuell nur auf rund 40%. Es ist davon auszugehen, dass die Madrider Parlamentarier das „Koalitionsmodell Andalusien“ zum Vorbild nehmen dürften. In Andalusien hat man sich auf ein Bündnis zwischen den Konservativen und den Liberalen geeinigt. Da die Bündnispartner nur eine Minderheitsregierung bilden konnten, hatte die ultrarechte VOX, die mit 11% erstmals in ein Regionalparlament einzog, eine Schlüsselrolle. Das andalusische Koalitionsmodell bildet somit erstmalig eine neue Bündnisoption im Madrider Parlament. Für katalanische Separatisten ist dies keine gute Nachricht: Sie müssen mit einer härteren Gangart seitens Madrids rechnen.

Die aktuelle politische Unsicherheit könnte Investoren kurzfristig kritisch stimmen. Es ist aber damit zu rechnen, dass dies nicht von langer Dauer ist. Der Faktor vorgezogener Neuwahlen dürfte mittelfristig wieder in den Hintergrund treten. Eine monatelange politische Hängepartie wie 2016 sollte inzwischen viel unwahrscheinlicher geworden sein, haben sich doch laut den Wahlumfragen die politischen Stimmenverhältnisse geändert. Anleger könnten zudem die Aussicht auf ein konservativ-liberales Bündnis durchaus goutieren, da sie sich hiervon marktfreundliche Reformen erhoffen. Auch die konjunkturelle Entwicklung Spaniens ist besonders im EWU-Vergleich hervorzuheben. Trotz des aktuellen europaweiten Konjunkturpessimismus sollte Spanien nach Irland mit rund 1,9% das EWU-weit stärkste (reale) Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr aufzeigen.


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