Vorgeschmack auf die Konjunkturbremse Brexit

Auf den ersten Blick hat sich die britische Wirtschaft 2018 gar nicht mal so schlecht geschlagen: Mit 1,3% ist die Wirtschaftsleistung in Großbritannien im vierten Quartal 2018 gegenüber dem Vorjahr kräftiger gestiegen als in der EWU und ihren größten Mitgliedsstaaten. Auch das Wirtschaftswachstum für das Gesamtjahr 2018 kann sich mit 1,4% vor dem Hintergrund der anhaltenden Brexit-Unsicherheit durchaus sehen lassen. In den letzten Wochen des Jahres allerdings scheinen die britischen Unternehmen angesichts der immer verworreneren politischen Entwicklung im britischen Unterhaus endgültig die Notbremse gezogen zu haben. Das zeigen die – neuerdings auch monatlich veröffentlichten – Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Dezember mit einem kräftigen Minus von 0,4% gegenüber dem Vormonat.


Die Wachstumsschwäche im Schlussmonat 2018 zieht sich durch alle Bereiche der Wirtschaft – zum ersten Mal seit 2012. Die britische Industrie verbuchte den vierten monatlichen Rückgang in Folge, der Ausstoß des verarbeitenden Gewerbes schrumpft bereits seit einem halben Jahr und die Bauwirtschaft trat mit einem Minus von 2,8% gegenüber November sogar so stark auf die Bremse wie seit über sechs Jahren nicht mehr. Auch die Wirtschaftsleistung im für Großbritannien so wichtigen Dienstleistungssektor ist leicht gesunken, vor allem in konsumnahen Wirtschaftsbereichen wie dem Einzelhandel oder der Gastronomie. Dank des noch relativ soliden Wirtschaftswachstums im Oktober und November stehen für das gesamte vierte Quartal aber immer noch knappe 0,2% gegenüber dem Vorquartal zu Buche. Eine wesentliche Säule des Wachstums war im zurückliegenden Quartal allerdings der Staatskonsum, der so stark ausgeweitet wurde wie seit sechs Jahren nicht mehr. Zudem wurde die Lagerhaltung weiter aufgestockt. Dagegen ist die Investitionstätigkeit erneut geschrumpft, und auch vom Außenhandel kam ein negativer Wachstumsbeitrag.


Wenige Wochen vor dem geplanten Austrittstermin nehmen die Brexit-Belastungen in der britischen Wirtschaft deutlich zu – ein erster „Vorgeschmack“ ist die schwache Konjunktur im Dezember. Da die britische Politik momentan den Unternehmen keinerlei Perspektive gibt, wie der Austritt zum Ende des laufenden Quartals vonstattengehen wird, dürfte die Unsicherheit aktuell auch noch weiter zunehmen. Paradoxerweise gehen mit der Angst vor einem „No Deal“-Brexit auch positive Wachstumseffekte einher – wie Vorratsaufstockungen bei Unternehmen und Konsumenten oder die Investitionen der Regierung in Notfallpläne. Die Unternehmensinvestitionen dürften aber weiter und noch stärker zurückgehen, sodass die britische Wirtschaft im laufenden Quartal aus unserer Sicht bestenfalls stagnieren wird. Darauf deuten auch die letzten Umfragen aus dem Dienstleistungsgewerbe und bei den Verbrauchern hin.


Auch wenn wir nach wie vor davon überzeugt sind, dass die britische Politik einen ungeordneten Brexit nicht willentlich zulassen wird: Das Risiko ist nicht gering, dass der Fall „No Deal“ doch eintritt, und wenn auch nur „aus Versehen“ aus der anhaltenden Blockade des britischen Parlamentes heraus. Auf jeden Fall wird die Angst vor diesem „Worst Case“ die Wirtschaft noch eine Weile in Atem halten. Womöglich sogar über den 29. März hinaus, wenn nämlich der Austrittstermin um einige Wochen nach hinten verschoben werden sollte, was wir für immer wahrscheinlicher halten. Und so dürfte die britische Wirtschaft zurzeit am Auftakt des wachstumsschwächsten Jahres seit einem Jahrzehnt stehen. Wir rechnen für dieses und das kommende Jahr nur mit einem weit unterdurchschnittlichen Anstieg der Wirtschaftsleistung von 1%.


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