Amerika finanziert sich selber
Nach der Veröffentlichung der US-Portfolioflowdaten für November sind die Daten für das vergangene Jahr nun fast komplett. Auch wenn der Dezember noch fehlt, ist es sicherlich nicht zu früh für einen ersten Blick auf die Entwicklungen des Gesamtjahres. Dabei stechen zwei hervor: 1. Kapitalzuflüsse aus dem Ausland haben im Vergleich zum Vorjahr deutlich nachgelassen, 2. Repatriierungsströme haben sich mehr als verdoppelt. Dies bescherte den USA im vergangenen Jahr einen sehr soliden Nettokapitalzufluss, der allerdings nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits derzeit vor allem in den Händen amerikanischer Investoren liegt.
Der US-Aktienmarkt, der in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts gefühlt nichts falsch machen konnte, verbuchte 2014 zum ersten Mal in seiner Geschichte signifikante Kapitalabzüge aus dem Ausland. Nachdem sich 2017 eine Erholung abzeichnete, ging es im vergangenen Jahr jedoch erneut steil bergab. Ausländische Investoren zogen 110 Mrd. US-Dollar aus US-Aktien ab. Ihr schwindendes Vertrauen in den US-Unternehmenssektor zeichnet sich außerdem in einer deutlich fallenden Nachfrage nach Unternehmensanleihen ab. Amerikanische Unternehmen, die 2017 noch von Gesamtzuflüssen von 250 Mrd. US-Dollar aus dem Ausland profitieren konnten, erlitten 2018 einen Kapitalabzug von fast 50 Mrd. Positive Entwicklungen konnten US-Agencies und US-Staatsanleihen verbuchen – allerdings waren diese nicht ausreichend, um die rückläufige Entwicklung im Unternehmenssektor auszugleichen. Vor allem die weiterhin geringe (ausländische) Nachfrage nach US-Treasuries ist einen genaueren Blick wert, schließlich wird die Verschuldung des amerikanischen Staates in den kommenden Jahren erneut deutlich zunehmen. Ähnlich wie der US-Aktienmarkt kämpft auch der US-Treasurymarkt bereits seit mehreren Jahren mit schwindender Auslandsnachfrage. Auf ein katastrophales Jahr 2016, in dem ausländische Inverstoren sich von Staatsanleihen im Wert von 326 Mrd. US-Dollar trennten, hat sich die Nachfrage zwar wieder etwas erholt, bleibt aber weiterhin sehr gering (2017: 20 Mrd.; 2018: 80 Mrd.). Hauptverantwortlich hierfür sind offizielle Investoren, die in den vergangenen vier Jahren 880 Mrd. US-Dollar an US-Treasuries abgestoßen haben.
Trotz der nachlassenden Auslandsnachfrage konnten die USA im vergangenen Jahr einen äußert soliden Nettokapitalzufluss von 480 Mrd. US-Dollar verbuchen. Dies war vor allem massiven Repatriierungsströmen geschuldet. Bereits seit 2015 haben US-Investoren Kapital nach Hause gebracht, doch im vergangenen Jahr erreichte dieser Trend seinen vorläufigen Höhepunkt: So überflügelten Repatriierungsströme die ausländische Nachfrage nach US-Wertpapieren im vergangenen Jahr signifikant. Dominiert werden diese von der Liquidierung ausländischer Anleihebestände, die sich in den vergangenen fünf Jahren auf 1,2 Bio. US-Dollar summierten. Und der Verdacht liegt nahe, dass zumindest ein Teil dieses Kapitals im heimischen Anleihemarkt ein neues Zuhause gefunden hat. Denn während der Anteil offizieller ausländischer Investoren am US-Staatsanleihenmarkt seit Anfang 2015 von 34% auf 26% gesunken ist, ist der Anteil heimischer Investoren (ex-Fed) von 24% auf 40% gestiegen. Die Finanzierung des US-Leistungsbilanzdefizits wird derzeit also vor allem von amerikanischen Repatriierungen getragen. Eine dauerhafte Lösung ist dies sicherlich nicht, denn der Bestand an Auslandsinvestitionen amerikanischer Investoren ist nicht unendlich.