Brexit mäandert Richtung Verschiebung

Die gestrige Parlamentsabstimmung wurde mit Spannung erwartet. Insgesamt 14 Änderungsanträge wurden eingereicht, von denen sieben vom Speaker des Hauses zur Abstimmung gestellt wurden. Am Ende haben es jedoch nur zwei geschafft, eine Mehrheit zu erreichen: der Antrag von Caroline Spelman, der einen No-Deal-Brexit verhindern soll, und Graham Brady's "Backstop Amendment". Änderungsanträge sind in erster Linie als Hinweis auf die Wünsche des Parlaments zu sehen, weisen in diesem Fall dabei aber in zwei fast entgegengesetzte Richtungen. Die Mehrheit des Parlaments will eindeutig einen No-Deal Brexit vermeiden, lehnt den bereits verhandelten Vertrag jedoch vehement ab. Das Bekenntnis gegen einen No-Deal Brexit ist sicherlich ein Fortschritt. Jedoch wird der bislang verhandelte "Backstop" das größtes Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung sein.

Theresa Mays erste Handlung wird nun darin bestehen, die Verhandlungen über den "Backstop" wieder aufzunehmen – oder es zumindest zu versuchen. Die ersten Signale aus Brüssel waren alles andere als ermutigend. In der Annahme, dass die EU an ihrer harten Linie festhält (wovon auszugehen ist) und Forderungen nach einer Neuverhandlung des "Backstop" ablehnt, wird May zwei Möglichkeiten haben: Sie kann entweder versuchen, ihren Deal in seiner ursprünglichen Form erneut vorzulegen, und darauf hoffen, dass die Zeit (und eine weitere Ablehnung durch die EU) zu ihren Gunsten arbeitet. Oder sie kann versuchen, eine Alternative zu finden. Nachdem sie mit Plan A gescheitert ist und auch Plan B nicht vielversprechender aussah, gibt es derzeit Vorstöße in Richtung Plan C, auch "Malthouse-Plan" genannt. Dieser sieht ein Vorgehen in zwei Schritten vor. Zunächst soll die Premierministerin versuchen, den Backstop neu zu verhandeln. Unter der Annahme, dass dies fehlschlägt, sieht der zweite Schritt dann einen radikaleren Ansatz vor: Der EU-Austrittsvertrag wird ad acta gelegt und durch ein neues Abkommen ersetzt, in dem die EU den Briten eine dreijährige Übergangsphase zugesteht und die Briten sich dafür bereiterklären, ihren finanziellen Obligationen weiterhin nachzukommen. Die Übergangsfrist soll dann genutzt werden, um ein Freihandelsabkommen zu verhandeln.

Der "Malthouse-Plan" scheint in der Downing Street durchaus Anklang zu finden und hat, zumindest aus Sicht der konservativen Brexit-Hardliner, den Vorteil, dass er sicherstellen würde, dass das Vereinigte Königreich die EU pünktlich zum 29. März verlässt. Dadurch würde das Risiko eines Aufschubs oder gar einer gänzlichen Absage des Brexits beseitigt. Auch das Problem der EU-Wahlen wäre damit vom Tisch. Aber es gibt zwei Haupthindernisse: Zum einen dürfte es schwierig sein, die Zustimmung der Remainer und der Befürworter eines Soft-Brexit zu bekommen, zum anderen ist es sehr unwahrscheinlich, dass die EU einem Abkommen zustimmt, das keine dauerhafte Garantie dafür bietet, dass die irische Grenze offen bleibt.

Nach einer weiteren anstrengenden und heftig umstrittenen Parlamentsdebatte hat die britische Regierung keine wirklichen Fortschritte gemacht. Nach wie vor scheinen viele der Abgeordneten unter der Illusion zu leiden, dass die EU, wenn es hart auf hart kommt, bereit sein wird, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Die EU hingegen fährt weiterhin eine harte Linie, von der sie nicht abweichen kann, ohne ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen. Da nur noch zwei Monate bis zum offiziellen Austritt aus der EU vergehen, ist eine Verlängerung von Artikel 50 weiterhin eine Möglichkeit. Aber damit dies geschehen kann, müsste die britische Regierung zumindest einen klaren Plan vorweisen können, wie es weitergehen soll. Der nächste Showdown zwischen der Premierministerin und dem Parlament wird höchstwahrscheinlich um den 14. Februar herum stattfinden, wenn die nächste Abstimmung über ihren Brexit-Deal (in welcher Form auch immer) abgehalten wird. Inzwischen werden die Märkte die Entwicklung mit Spannung verfolgen - immer in der Hoffnung, dass eine Lösung gefunden werden kann.


Artikel bewerten

Vielen Dank für Ihre Wertung. Ihre Wertung:
Aktuelle durchschnittliche Bewertung des Artikels: 2.54