Trump und seine Mauer: Ist ein Notstand möglich?
Ein Notstand wird von einem führenden Politiker bzw. einer Regierung in der Regel damit begründet, dass die vorhandenen Befugnisse nicht ausreichen, um eine Krise in den Griff zu bekommen. In den USA wurden vom Kongress in den vergangenen Jahrhunderten zudem zahlreiche Gesetze verabschiedet, die dem Präsidenten in einer militärischen, wirtschaftlichen oder Arbeitsmarktkrise zusätzliche Notfallbefugnisse verleihen. Einige davon finden sich nicht nur in den Archiven, sondern sind auch derzeit in Kraft. Auch nach der Verabschiedung des "National Emergencies Act" im Jahr 1976 kann der Präsident nach wie vor frei darüber entscheiden, wann er den Notstand verhängt. Während eines Notstands müssen beide Kammern des Kongresses alle sechs Monate zusammentreten und diskutieren, ob eine Abstimmung zur Beendigung des Notstands durchgeführt werden soll. Das Notstandsdekret läuft automatisch nach einem Jahr aus, wenn der Präsident es nicht erneuert.
Insgesamt findet sich in der Verfassung nur wenig zu den Befugnissen, die der Präsident oder der Kongress im Rahmen eines Notstands haben. Ein Notstand wird kurz in Artikel I und II erwähnt. Welche Befugnisse der Präsident in einer Extremsituation auf einem ganz zentralen Gebiet hat, leitet sich aus Artikel II der Verfassung sowie aus der Stellung des Präsidenten als Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte ab. Auch zum Thema „Checks and Balances“ für die Notstandsbefugnisse enthält die Verfassung nur wenig Konkretes. Der Supreme Court hat in einigen Fällen entscheiden müssen, wie weit die Notstandsbefugnisse reichen. Manche Befugnisse wurden eingeräumt, andere nicht – zugleich hat das Gericht häufig versucht, der Behandlung des Falls zeitlich aus dem Weg zu gehen. Während eines Notstands verfügt der Präsident also über viel Spielraum.
Wenn Präsident Trump den Notstand ausriefe, um eine Mauer an der mexikanischen Grenze zu bauen – was nach Auffassung zahlreicher Beobachter keinesfalls dringlich genug ist, um einen solchen Schritt zu rechtfertigen –, würde er sich damit deutlich mehr Macht verschaffen. Er könnte beispielsweise die Armee zum Bau der Mauer einsetzen. Grundsätzlich gibt es aber auch Hürden. Neben der Tatsache, dass auch einige Republikaner über mögliche Reaktionen in ihren Wahlkreisen besorgt sind, oder das die Notstandsoption in Zukunft auch bei demokratischen US-Präsidenten Schule macht, dürften Verfahren gegen den Notstand vor dem US-Supreme Court angestrengt werden. Zwar hat der Supreme Court in der Vergangenheit bei Notstandsmaßnahmen recht unterschiedlich entschieden, doch ist nicht klar, ob Trump trotz eines Übergewichtes der konservativen Supreme Court Richter mit seinen Plänen durchkäme. So würde er das Risiko eingehen, dass der Supreme Court den Notstand als ungerechtfertigt betrachtet und die Demokraten daraufhin versuchen, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Am Ende erscheint damit die Wahrscheinlichkeit gering, dass Trump die Notstandsoption tatsächlich ziehen wird.