China: Handelsstreit beginnt die Konjunktur zu belasten
Lange Zeit sah es so aus, als ob der transpazifische Handelsstreit der chinesischen Wirtschaft wenig anhaben könnte. Jetzt ist das Wirtschaftswachstum im Schlussquartal des vergangenen Jahres mit 6,4% auf den niedrigsten Stand seit dem Tiefpunkt der Finanzkrise vor zehn Jahren gefallen und hat auch das selbstgesteckte Wachstumsziel der chinesischen Regierung unterschritten – so zumindest die offiziellen Angaben des Statistikamtes. Es bleiben Zweifel, ob der Verlust zuletzt womöglich stärker ausgefallen ist. Die Veröffentlichung einer noch schwächeren Rate hätte Peking aber wohl kaum zugelassen. Gerade in konjunkturell schwierigeren Phasen wie aktuell gelten Zielverfehlungen und stärkere Ausschläge beim Wirtschaftswachstum in China als heikel, denn die Regierung demonstriert mit den Wachstumsangaben gerne Stabilität. Für das Gesamtjahr 2018 steht nun nach 6,8% im Jahr 2017 ein Wirtschaftswachstum von 6,6% zu Buche – das schwächste Ergebnis seit 28 Jahren.
Seit dem Spätsommer sinken die Auslandsaufträge in der chinesischen Industrie deutlich. Im Dezember sind die beiden Einkaufsmanagerindizes für die Industrie erstmals seit zwei Jahren wieder unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten gefallen. Chinas Exporte in die USA sind eingeknickt. Vor allem die Automobilbranche leidet erheblich unter dem Zollstreit, da sie sowohl von den US-Zöllen als auch von den chinesischen Gegenzöllen belastet wird. Der Konflikt beginnt also offenbar damit, immer deutlichere Bremsspuren in der Wirtschaft der Volksrepublik zu hinterlassen.
Eigentlich spräche das aktuelle Umfeld dafür, die Wachstumsprognose für China ein gutes Stück zu senken. Solange Peking aber am aktuellen Wachstumsziel von 6,5% festhält, gehen wir nicht davon aus, dass zumindest die offiziell gemeldeten Wachstumsraten dauerhaft unter diesem Zielwert liegen werden. Mit Steuererleichterungen und einer lockereren Geldpolitik versucht die chinesische Regierung derzeit, der Konjunktur unter die Arme zu greifen. Zusätzlich kurbelt sie die staatliche Investitionstätigkeit wieder deutlich an. Diese Maßnahmen dürften ab dem Frühsommer für erste Wachstumsimpulse sorgen. Sollte dies nicht ausreichen, schließen wir aber auch nicht aus, dass die offiziellen Wachstumsraten „aufgebessert“ werden, damit der Zielwert eingehalten wird.
Grundsätzlich möglich ist natürlich auch, dass beim Nationalen Volkskongress Anfang März eine Senkung des Wachstumsziels auf 6% beschlossen wird. Dann wären auch schwächere Wachstumsraten vorstellbar, als wir sie momentan prognostizieren. Wir halten das aber für fraglich, denn Peking würde damit gegenüber Washington eine erhebliche Schwäche preisgeben. Der Handelsstreit wird aus unserer Sicht sicherlich noch eine Weile „auf kleiner Flamme weiterköcheln“. Weiter eskalieren dürfte er allerdings nicht. Wir halten vor diesem Hintergrund erst einmal an unserer Wachstumsprognose von 6,5% für 2019 fest. Erst für das kommende Jahr rechnen wir mit einer Reduzierung der Wachstumsvorgaben und damit auch mit Spielraum für ein etwas niedrigeres Wirtschaftswachstum von 6,2%.