Gelbwesten-Proteste auch im neuen Jahr: Herausforderung für Macron

Am ersten Samstag des neuen Jahres ist es in Frankreich wieder zu Protesten der Gelbwesten-Bewegung („Gilets jaunes“) gekommen, teils mit gewalttätigen Ausschreitungen. Mit etwa 50.000 Protestierenden landesweit ist die Teilnehmerzahl gegenüber den Spitzenwerten von bis zu 300.000 zu Beginn der Proteste Mitte November inzwischen zwar deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt der Rückhalt der Proteste in der französischen Bevölkerung jedoch relativ hoch und hat sich im zeitlichen Ablauf kaum verändert: Laut einer Umfrage des Umfrageinstituts opinionway unterstützen gut 60% der Bevölkerung die Protestbewegung.
Von solchen Werten kann Staatspräsident Macron derweil nur träumen, seine Zustimmungswerte befinden sich im Keller: Zuletzt äußerten 77% der Franzosen, kein Vertrauen in ihr Staatsoberhaupt zu haben; lediglich 21% sprachen ihm ihr Vertrauen aus. So düster diese Umfragewerte auch auf den ersten Blick wirken – Macron befindet sich damit in bester Gesellschaft. Auch seine drei Vorgänger erlebten in den ersten Amtsjahren einen deutlichen Absturz ihrer Beliebtheitswerte, wenn auch die derzeitige Unbeliebtheit Macrons nur mit der Hollandes zu vergleichen ist. Dennoch zeigt ein Blick auf die jüngste Sonntagsfrage von Mitte Dezember nur einen weniger drastischen Einbruch von Macrons Wählergunst. So verlor der Amtsinhaber gut 8 Prozentpunkte auf 27,5% gegenüber der letzten Umfrage im April 2018, während Marine Le Pen – Vorsitzende der rechtspopulistischen Rassemblement National (RN; ehem. Front National) – mit nun ebenso 27,5% gleichziehen konnte (plus 4,5%).

Die Forderungen der Gilets jaunes haben sich von anfänglich recht konkreten Forderungen wie der Abschaffung eines Umweltzuschlags auf Dieseltreibstoff (von Präsident Macron im Dezember bereits erfüllt) gelöst und stellen sich inzwischen als breit gefächert dar. Die Hauptzielrichtung der Forderungen schielt auf eine Entlastung der Mittelschicht, beispielsweise durch weitere Steuersenkungen. Dies spiegelt die laut Umfragen derzeit drängendste Sorge der Franzosen: die Abnahme der Kaufkraft. Daneben fordert die Bewegung die Einführung von Volksinitiativen nach schweizerischem Vorbild, die in der französischen Verfassung nicht vorgesehen sind – mit Ausnahme von durch die Regierung selbst initiierten Referenden nach Artikel 11. Die Regierung signalisiert derweil ein gewisses Entgegenkommen und ruft ab dem 15. Januar zu einem Bürgerdialog auf, bei dem vier Themenkomplexe (Energiewende, Steuern, Demokratie, Staatswesen) auf zahlreichen Plattformen diskutiert werden sollen. Ob damit jedoch das Grundproblem – der Wohlstandsverlust von Teilen der französischen Mittelschicht – angegangen werden kann, bleibt fraglich. Frankreich leistet sich weiter einen recht teuren Sozialstaat, und die erwartete Verletzung der Budgetdefizitobergrenze im laufenden Jahr schreit geradezu nach fiskalischer Austerität. Macron obliegt damit in Zukunft weiter die Rolle eines Reformators, wenngleich er stärker als Kommunikator dem französischen Volk die mehrheitlich bitteren Reformpillen schmackhaft machen muss.


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