Die Fed rudert zurück
Das gestern Abend veröffentlichte Protokoll der jüngsten Sitzung des geldpolitischen Rates der US-Notenbank vom 8. November 2018 („Minutes“) hat überraschende Neuigkeiten über die weitere geldpolitische Ausrichtung der Fed zutage gefördert. Zwar lassen die Minutes kaum Zweifel daran, dass die US-Währungshüter den Leitzinskorridor im Dezember erneut um 25 Basispunkte erhöhen werden. Neu war jedoch, dass die Fed-Oberen beabsichtigen, ihren Tenor im Protokoll zu ändern. Während in der Vergangenheit darauf hingewiesen wurde, dass eine graduelle Erhöhung des Leitzinsniveaus angemessen sei, könnte demnächst im Kommuniqué stehen, dass weitere Leitzinserhöhungen strikt von den Datenveröffentlichungen abhängig sein werden.
Noch vor wenigen Wochen hatte Fed-Chef Jerome Powell darauf hingewiesen, dass die Fed einen leicht restriktiven Leitzins in Erwägung ziehe. Viele Marktteilnehmer hatten in den zurückliegenden Monaten daher den Eindruck gewonnen, dass eine Leitzinserhöhung um 25 Basispunkte pro Quartal auf absehbare Zeit in Stein gemeißelt sei. Diese Erwartungshaltung wurde mit dem jüngsten Protokoll in Frage gestellt. Eine flexiblere Rhetorik ist vor dem Hintergrund verständlich, dass keiner mit absoluter Gewissheit weiß, wo exakt der neutrale geldpolitische Zins liegt. Die Leitzinserhöhungen der Vergangenheit dürften lediglich mit einer weniger expansiven Geldpolitik einhergegangen sein. Jetzt, wo sich die Fed dem (breiten) Bereich eines nahezu neutralen geldpolitischen Niveaus nähert, wächst auch die Unsicherheit über die konjunkturellen Auswirkungen einer kontinuierlichen Straffung der geldpolitischen Zügel. Die Währungshüter möchten offensichtlich nicht für eine mögliche schwächere konjunkturelle Dynamik verantwortlich gemacht werden. Außerdem ist es ungewiss, mit welcher zeitlichen Verzögerung die zurückliegenden Leitzinsanhebungen wirken. Dieser Unsicherheit möchte die Fed nun Rechnung tragen, indem sie ihre Rhetorik im kommenden Protokoll ändern wird, das nach der Sitzung am 19. Dezember veröffentlicht wird.
Unseres Erachtens bedeutet diese Änderung jedoch nicht, dass die Fed in den kommenden Monaten keine weiteren Zinserhöhungen mehr vornehmen wird. Es wird lediglich attestiert, dass die US-Notenbank auch mal eine längere Pause im Zinserhöhungszyklus einlegen kann, um die Wirkung der vergangenen geldpolitischen Straffungen abzuwarten. Die Minutes decken sich insgesamt mit unserer Erwartung bezüglich der US-Geldpolitik im Jahr 2019. So gehen wir davon aus, dass die konjunkturelle Dynamik im kommenden Jahr insgesamt solide ausfallen wird. Der derzeit im Trend zu beobachtende Lohndruck wird unseres Erachtens zu leicht höheren Kerninflationsraten im Jahresverlauf führen. Vor diesem Hintergrund werden die volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten im ersten Halbjahr wohl auf eine Fortsetzung des Leitzinserhöhungszyklus hindeuten. Wir erwarten noch zwei weitere Zinsschritte in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019. Hat die Fed jedoch einmal ein annähernd neutrales geldpolitisches Niveau erreicht, dürften weitere geldpolitische Straffungen zunehmend in Frage gestellt werden. Vor diesem Hintergrund erwarten wir eine Pause im Leitzinserhöhungszyklus in der zweiten Jahreshälfte. Bleibt die konjunkturelle Erholung gegen Ende 2019 robust, dürfte die Fed im Dezember 2019 erneut die geldpolitischen Zügel anziehen. Jedoch sind die Chancen für einer etwas moderaten Zinsenpolitik zuletzt gestiegen.