Lateinamerika nach dem Superwahljahr

Der Trend, dass neben der wählenden Bevölkerung auch internationale Anleger bei Wahlen oftmals den Atem anhalten, hat auch vor Lateinamerika nicht haltgemacht. Vor diesem Hintergrund waren die letzten zwölf Monate in der Region äußerst spannend, da in gleich vier Ländern wichtige Urnengänge anstanden - und das in einem Umfeld sinkender Zustimmungswerte hinsichtlich des Funktionierens der Demokratie. In Chile und Kolumbien sind dabei (immerhin) Regierungen aus dem Mitte-Rechts-Lager gewählt worden, die für einen pragmatischen Kurs in der Wirtschaftspolitik stehen. In Mexiko und Brasilien haben sich die Wähler jedoch weiter „an die Ränder gewagt“. Während sich mit Andres López Manuel Obrador – kurz AMLO – in Mexiko ein Bewerber des linken Spektrums durchgesetzt hat, siegte in Brasilien der Rechtsaußen Jair Bolsonaro. Damit herrscht nun zumindest Klarheit darüber, wer die Geschicke des jeweiligen Landes leiten wird. Über den Kurs sowie die Art und Weise des Regierens kann aktuell jedoch nur spekuliert werden. Während die zuletzt getätigten Aussagen von Bolsonaro (unter anderem zu Personalfragen und der Rentenreform) bei den Marktteilnehmern durchaus Anklang fanden, verunsicherte AMLO die Märkte zuletzt mit verschiedenen Äußerungen beziehungsweise Initiativen (u.a. geplanter Baustopp Flughafen Mexiko-Stadt). Inwieweit die Schritte nach links (in Mexiko) oder rechts (in Brasilien) in ruhigeres Fahrwasser münden oder zu anhaltender Nervosität führen, wird das Jahr 2019 zeigen.

Das wirtschaftliche Bild in der Region sollte sich im kommenden Jahr zudem weiter differenziert darstellen, wenngleich sich die Spreizung der Dynamik zumindest bei den von uns betrachteten Ländern verringern sollte. Die Volkswirtschaften der Andenstaaten Peru, Chile und Kolumbien dürften sich dabei am stärksten präsentieren, wobei Peru mit einem prognostizierten BIP-Anstieg von gut 4% im kommenden Jahr die führende Position einnimmt. In Bezug auf Brasilien besteht nach dem holprigen Wachstumspfad im laufenden Jahr die Hoffnung auf eine leichte Wachstumsbeschleunigung. In welchem Maße diese ausfällt, dürfte auch davon abhängig sein, inwiefern sich der mit dem neuen Präsidenten verbundene Optimismus auch in der Wirtschaft widerspiegelt. Mit Blick auf Mexiko ist davon auszugehen, dass sich die konjunkturelle Dynamik ähnlich wie in diesem Jahr (BIP-Prognose 2018: 2,1%) darstellen sollte. Während mit dem Handelsabkommen zwischen Mexiko, Kanada und den USA ein (größerer) Unsicherheitsfaktor ausgeräumt werden konnte, eröffnete AMLO mit seinen jüngsten Äußerungen und Maßnahmen neue „Baustellen“, deren Auswirkungen auf die Wirtschaft noch schwer abzuschätzen sind und zuletzt für höhere Nervosität gesorgt haben, nachdem die Zeichen unmittelbar nach der Juli-Wahl zunächst stärker auf „Marktfreundlichkeit“ standen.

Ebenso wie 2018 wird auch das kommende Jahr für die Region Lateinamerika von Herausforderungen geprägt sein. Insbesondere Länder wie Chile und Peru – mit einem insgesamt weniger anfällig wirkenden Fundamentalrahmen – dürften hier relativ gut gewappnet sein. Kolumbiens Kennzahlen sind dagegen zwar nicht frei von Defiziten und die Ratingagenturen werden das Land unter Beobachtung halten. Insgesamt wirkt das Bild aber leicht aufgehellter, zumal die neue Regierung für eine umsichtige Politik steht. In Brasilien und Mexiko wird viel davon abhängen, welchen Kurs die neuen Präsidenten einschlagen. Hier gibt es gleichzeitig Chancen und Risiken. In Mexiko geht der Regierungswechsel nun in die kritische Phase und die Nervosität ist in den letzten Wochen gestiegen. Brasilien wurde dagegen zuletzt recht euphorisch betrachtet, obschon wir gewisse Vorbehalte haben, ob sich die Erwartungen – gerade in Bezug auf die kritischen Fiskalkennzahlen – tatsächlich (so unproblematisch) erfüllen lassen.


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