Aktienmärkte - Korrektur: Ja, Wende: Noch nicht
Mit der jüngsten Korrektur in den USA haben die US-Aktienindizes damit angefangen, die schwache Kursentwicklung der übrigen Märkte nachzubilden. Zuvor hatte die Sonderkonjunktur bei den Technologietiteln (bekannt unter dem Akronym der "FAANG"-Titel) sowie die positive Wirkung der Steuersenkungen den amerikanischen Aktienmärkten einen Auftrieb gegeben, den es in dieser Form an den anderen Märkten nicht gegeben hatte. Im Gegenteil: Durch die „America First“-Politik der USA litten viele europäische Unternehmen unter einer zunehmenden Investitionsunsicherheit.
Bisher ist die Korrektur nicht ungewöhnlich stark ausgefallen. Im Durchschnitt korrigierte der DAX seit 1975 unterjährig vom lokalen Hoch zum nächsten Tief um 18%. Der Kursrutsch des DAX vom diesjährigen Hoch (18 Prozent) liegt also genau im Mittelwert. Erst ein DAX-Stand unterhalb von 11.000 Punkten wäre außergewöhnlich. Der Euro Stoxx 50 korrigierte in diesem Jahr (-15% vom Hoch) weniger stark als im Mittelwert seit 1990 (-19%) und auch der S&P 500 steht mit einem Kursverlust von in der Spitze neun Prozent weit entfernt von der durchschnittlichen gemessenen Korrektur von 14%.
Vor vier Wochen stand die Anlegerwelt noch im Lot. Die weltweite Konjunktur verlief trotz verschiedener politischen Stressfaktoren stabil, die Unternehmensgewinne wuchsen. In Europa näherten sich die Brexit-Verhandlungen womöglich dem Ende und die Italiener waren unzufrieden mit der EU – soweit keine bahnbrechenden Neuigkeiten. In den USA lief dabei alles etwas besser als in den übrigen Industriestaaten, dank der Steuersenkungen und den gewinntreibenden Technologieaktien. Allerdings berichten die US-Unternehmen zunehmend davon, dass die gestiegenen Zölle im Geschäft mit China zu höheren Einkaufspreisen führen, die zu einem Rückgang der Profitabilität führen könnten. Diese wurde vom Markt dahingehend interpretiert, dass das Wachstumsmoment der amerikanischen Wirtschaft vor einer Abschwächung steht. Zur Korrektur kam es aus unserer Sicht aber vor allem, weil die Kursentwicklung amerikanischer Technologietitel sehr heiß gelaufen war. Tatsächlich haben diese Titel nun stark korrigiert (bis auf Apple), so dass die Bewertung dieser Aktien nun wieder etwas besser aussieht.
Zusätzlich belastete erneut die Sorge vor steigenden US-Kapitalmarktrenditen die Aktienmärkte, weil sich die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen nachhaltig über der Marke von drei Prozent festgesetzt haben. Das Überschreiten dieser Marke hatte schon erstmalig im Frühjahr dieses Jahres für Unruhe gesorgt – zumindest bei einigen Marktteilnehmern.
Zinsen geben den Preis für Geld an. Steigen die Leitzinsen der Notenbanken (und damit die Kapitalmarkrenditen) deutlich an, nehmen Unternehmen (Konsumenten) weniger Kredite in Anspruch und/oder sparen stattdessen. Die Wirtschaft wächst dann weniger stark, mit entsprechenden Dämpfungseffekten für die Gewinne der Unternehmen.
Am Aktienmarkt gibt es zudem weitere Implikationen durch anziehende Renditen: Unter anderem sind Unternehmen in den herkömmlichen Bewertungsmodellen weniger wert, weil ihre zukünftigen Gewinne mit einem höheren Zinssatz abdiskontiert werden. Zusätzlich steigt durch anziehende Zinsen der Wettbewerb zwischen den Anlageklassen Aktien und Renten, Aktien werden unattraktiver. Im vierten Wirkungsmechanismus wirkt der steigende Zins auf den Kreditzins, den die Unternehmen auf Schulden entrichten müssen, die Zinskosten steigen an. In der Praxis werden diese Effekte abgemildert, z.B. in Form höherer Umsatzerlöse in Folge steigender Preise (Inflation) oder weil viele Unternehmen wenige oder keine Schulden haben (z.B. viele der großen US-Technologiewerte) und schließlich durch die Banken, die mehr Geld verdienen.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Aktienmärkte ab einem US-Renditeniveau um vier bis fünf Prozent zu Schwächephasen neigen - in diesem Zyklus vielleicht sogar schon auf einem niedrigeren Niveau. Einen solchen deutlichen Renditesprung erwarten wir aktuell jedoch nicht. Auf absehbare Zeit rechnen wir mit US-Kapitalmarkrenditen unterhalb von 3,5%. Auch dürfte eine Umschichtung von Aktien in Anleihen ein gradueller Prozess seitens der Anleger sein und nicht sprunghaft erfolgen.
Ist mit weiteren Korrekturen zu rechnen?
Der Aufschwung bei Konjunktur und Aktienmärkten läuft seit 2009. Wir gehen davon aus, dass das Ende des wirtschaftlichen Booms zwischenzeitlich begonnen hat, der Konjunkturaufschwung aber noch ein bis zwei Jahre die Aktienmärkte tragen kann. Für eine Verlängerung des Aufschwungs spricht auch, dass es am Aktienmarkt selbst keine intrinsische Übertreibung in Form einer marktbreiten Bewertungsblase gibt und dass die Kapitalmarktrenditen dies- und jenseits des Atlantiks nur einen sehr langsamen Auftrieb erfahren sollten. Trotzdem erwarten wir, dass in der Spätphase des Konjunkturzyklus die Unsicherheiten zunehmen werden uns es häufiger zu Korrekturen kommen wird. Entsprechend unserer Marktmeinung halten wir das niedrige Kursniveau vielversprechend für Aktienkäufe.