Brasilien wählt rechts - Jair Bolsonaro ist neuer Staatspräsident
In einem politisch polarisierten Umfeld und im Protest gegen die bislang regierende politische Klasse haben Brasiliens Wähler den rechtsextremen Jair Bolsonaro zum neuen Staatspräsidenten bestimmt. Dieser erhielt in der Stichwahl gegen Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei rund 55 Prozent der Wählerstimmen. Die Märkte haben sehr positiv auf den Siegeszug Bolsonaros reagiert, weil sie von ihm wichtige Liberalisierungen erwarten.
Was bedeutet sein Wahlsieg nun für die Wirtschaft des Landes? Bolsonaro hat verschiedentlich bekannt, nicht allzu viel von Wirtschaftsfragen zu verstehen und dass er die Grundzüge und die Ausführung seiner Wirtschaftspolitik vor allem seinem Chefberater Paulo Guedes überlassen wolle. Dieser gilt als orthodox-liberaler Ökonom und dürfte auch ins neue Kabinett eintreten. Guedes tritt für eine formale Unabhängigkeit der Notenbank ein, was aus Sicht der Investoren ein wichtiges Positivum darstellt. Er tritt zudem für Privatisierungen ein, die genug Erträge abwerfen, um Steuersenkungen für Unternehmen zu ermöglichen. Sozialleistungen und Subventionen sollen gekürzt und ein Versuch gemacht werden, die überfällige Rentenreform anzugehen. Guedes sieht einen Investitionsstau, der bei einem Abbau der staatlichen Regulierungen einen Konjunkturschub auslösen würde.
Aber hier beginnen auch schon Meinungsverschiedenheiten mit Bolsonaro aufzukeimen. Denn der neue Präsident hat in der Wahlkampfendphase viele seiner auf die Wirtschaft gemünzten Vorstellungen stark relativiert. Privatisierungen dürften nicht überhandnehmen. Ein „Ausverkauf“ etwa der reichen brasilianischen Rohstoffreserven und der in diesem Sektor tätigen Staatsfirmen an das Ausland (China?) dürfe nicht stattfinden. Auch bei den Renten und anderen Sozialsystemen solle an bis dato erworbenen individuellen Ansprüchen nicht gerüttelt werden. Wie unter diesen Umständen grundlegende Reformen gelingen sollen, bleibt fraglich. Um die wichtigsten Projekte durch das Parlament zu bringen, braucht es Zweidrittelmehrheiten. Damit muss Bolsonaro auf das linke Parteienlager zuzugehen. Bei einem zersplitterten Parlament mit künftig dreissig Parteien muss die neue Regierung pragmatisch vorgehen.
Mit der Wahlentscheidung ist für Investoren nun ein wichtiger Unsicherheitsfaktor weggefallen, und die Investitionstätigkeit kann nun zumindest kurzfristig einen Schub erhalten. Von daher sind auch die positiven Marktreaktionen erklärbar. Die Frage bleibt aber, wie lange dieser „Honeymoon“ anhalten kann. Spätestens nächstes Jahr wird es zum Schwur kommen. Ist bis dahin die Konjunktur nicht auf einem sicheren Gleis und scheitern wichtige Reformprojekte, ohne die es keine Budgetkonsolidierung geben kann, könnte der Investitionsschwung abreißen und Brasilien erneut in eine Krise stürzen.