EZB - Warten auf's Christkind

Erwartungsgemäß haben die EWU-Währungshüter im Rahmen ihres heutigen Zusammentreffens keine Änderungen am eingeschlagenen geldpolitischen Kurs vorgenommen. Notenbankchef Draghi räumte zwar ein, dass die konjunkturelle Dynamik in der Eurozone zuletzt schwächer ausgefallen sei als ursprünglich angenommen, doch hat dies die grundsätzliche Zuversicht der Notenbank-Oberen nicht erschüttert - ein Abschwung sei das nicht. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Währungshüter trotz der zahlreichen Spannungsfelder (Brexit, Budgetstreit Italien, US-Handelskonflikt) die Risiken für den Konjunkturausblick nach wie vor als ausgeglichen betrachten. Eine Anpassung dieser Formulierung hätte allerdings auch nachhaltige Zweifel am EZB-Kurs genährt. Gegenwärtig sieht es danach aus, dass die Notenbank zum Ende des Jahres die Anleihekäufe (netto neu) beenden wird. Trotz der EZB Forward Guidance zeigen sich die Marktakteure aber nicht ganz überzeugt, dass die EZB im Herbst des kommenden Jahres tatsächlich erstmals an der Zinsschraube drehen wird. Die EONIA Forward Notierungen haben im Nachgang zur Ratssitzung niedriger tendiert.

Der gegenwärtige Streit zwischen Rom und Brüssel wurde Draghi zufolge im EZB-Rat nicht tiefergehend debattiert. Die gegenwärtigen Verspannungen seien auch weniger eine Folge der Wirtschafts-, als vielmehr der Fiskalpolitik und damit nicht im Verantwortungsbereich der EZB. Der Notenbankchef zeigte sich im Rahmen der Pressekonferenz aber (persönlich) zuversichtlich, dass in diesem Konflikt ein Kompromiss gefunden werden kann. Etwas besorgt hat sich Draghi allerdings darüber gezeigt, dass die höheren Risikoaufschläge für italienische Staatspapiere auch auf die Kreditkosten für die Privatwirtschaft ausstrahlen. Hierdurch könnte die Realwirtschaft Schaden nehmen.

Im Zuge der Dezember-Ratssitzung werden turnusgemäß die neuen Projektionen zur Konjunktur- und Inflationsentwicklung veröffentlicht. Anhand derer dürfte sich unter anderem entscheiden, inwieweit die Notenbank Adjustierungen am eingeschlagenen geldpolitischen Kurs vornehmen muss. Damit heißt es "Warten auf's Christkind". Zwar bleibt die EZB-Geldpolitik auch nach dem Ende des APP und ersten Leitzinserhöhungen Ende 2019 sehr expansiv, doch steigt angesichts der aktuellen Lage zumindest das Risiko, dass die EZB gar nicht mehr dazu kommt, ihre Forward Guidance wie geplant umzusetzen.
Angesichts der schwierigen Gemengelage könnte die europäischen Notenbank, statt weiter Kurs auf den Ausgang zu halten, dann gezwungen sein, den eigentlich verbauten Rückweg anzutreten. Am Ende müssten vielleicht doch die EWU-Staaten fiskalpolitische Antworten finden, wenn dann der Köcher der Geldpolitik leer ist.


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