Gewerbeimmobilien an den Top-Standorten: Büros sind knapp und gefragt, während das Online-Shopping dem Einzelhandel das Leben schwer macht
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Gewerbeimmobilien könnten an den Top-Standorten kaum besser ausfallen. In den sieben größten deutschen Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart wachsen Beschäftigung, Bevölkerung und meist auch der Tourismus. Daraus resultiert eine hohe Nachfrage nach Büroflächen, die mittlerweile genauso knapp wie Wohnungen sind. Im Einzelhandel wird die Flächennachfrage jedoch durch das Online Shopping gedämpft. Unter dem Strich ist das Interesse der Anleger an der letztlich sehr begrenzten Zahl an erstklassigen Objekten, die hier zum Verkauf stehen, ungebrochen hoch.
Doch das große Anlegerinteresse hat die anfängliche Mietrendite kräftig gedrückt. Waren vor 10 Jahren noch rund 5 Prozent erzielbar, sind es heute zum Teil weniger als 3 Prozent. Weil die Anleiherenditen noch schneller sanken, hat sich der Abstand ausgeweitet. 2008 lag der Renditevorteil gegenüber 10-jährigen Bundesanleihen bei etwa 100 Basispunkten, aktuell sind fast 270 Basispunkte. Das ist allerdings schon spürbar weniger als 2015 und 2016, als der Renditevorteil phasenweise 400 Basispunkte erreichte. Mit anhaltender, inzwischen aber verlangsamter Renditekompression und marginal höheren Anleiherenditen schmilzt der relative Vorteil der Gewerbeimmobilien ab. Das hat der Nachfrage nach Gewerbeimmobilien aber bislang nicht geschadet. 2017 flossen etwas über 30 Milliarden Euro in die Top-Standorte, über die Hälfte des deutschlandweit investierten Volumens. In den ersten drei Quartalen 2018 war der Marktanteil mit über 60 Prozent noch etwas höher.
Allerdings haben sich die Anteile der Assetklassen verschoben. Stark gefragt sind Büroobjekte, die rund 45 Prozent ausmachen. Weiterhin begehrt sind Logistikobjekte mit einem mittleren zweistelligen Marktanteil sowie Hotels, die sich im oberen einstelligen Prozentbereich positioniert haben. Dagegen ist die Liebe zu Einzelhandelsimmobilien abgekühlt, ihr Anteil hat sich in den zurückliegenden Jahren auf heute nur noch etwa 20 Prozent spürbar verkleinert. Die Ursache sind die unterschiedlichen Aussichten für die weitere Flächennachfrage und die Mietentwicklung.
Büroflächen werden durch das Beschäftigungswachstum zwar stark nachgefragt, wurden in den vergangenen Jahren aber nur in verhaltenem Umfang gebaut. Vor allem in Berlin, München und Stuttgart sind größere Büroflächen bei Leerstandsquoten von 2 Prozent im Bestand praktisch nicht mehr verfügbar. Das sorgt für steigende Mieten, die in diesem Jahr im Durschnitt der Top-Standorte um rund 4 Prozent auf über 30 Euro je Quadratmeter zulegen dürften. Im nächsten Jahr könnte der Zuwachs aufgrund einer anziehenden Neubautätigkeit etwas kleiner ausfallen. Aus Investorensicht mildert das Mietsteigerungspotenzial das Leid der niedrigen anfänglichen Mietrendite. Das trifft auf Handelsimmobilien jedoch nicht mehr zu. Hier stagnieren die Mieten in den 1A-Lagen bei rund 300 Euro je Quadratmeter, weil die Retailer angesichts wachsender E-Commerce-Umsätze weniger Flächen benötigen. Die Logistik profitiert dagegen vom wachsenden Online-Shopping, was für gute Vermietungschancen von Logistikobjekten sorgen dürfte. Hotels profitieren vom florierenden Tourismusgeschäfts, sodass trotz vieler Neueröffnungen die Auslastung nicht schlechter geworden ist.
Beste Vermietungschancen haben an den Top-Standorten angesichts des knappen Angebots und des anhaltenden Zuzugs Wohnungen. Binnen zehn Jahren ist hier die Einwohnzahl um rund 1 Million Menschen beziehungsweise rund 11 Prozent gestiegen. Trotz der schon hohen Mieten sind jährliche Mietzuwächse von über 3 Prozent realistisch, während Leerstandsrisiken als gering einzuschätzen sind. Allerdings schossen auch die Preise von Mehrfamilienhäusern gewaltig in die Höhe. Bis 2009 lag die Relation aus Kaufpreisen zu Jahresmieten im Durchschnitt der Top-Standorte recht stabil bei 16. Heute müssen bereits 26 Jahresmieten bezahlt werden. Am teuersten ist der Standort München mit einer Relation von 34.
Durch die niedrigen Zinsen sind Investitionen in Gewerbeimmobilien und Mehrfamilienhäuser für viele professionelle Investoren praktisch alternativlos, um eine halbwegs auskömmliche Verzinsung für ihr Kapital zu erzielen. Bei deutlich höheren Zinsen sähe das voraussichtlich anders aus. Die heute niedrigen anfänglichen Mietenrenditen sowie hohe Kaufpreisvervielfacher kämen dann wahrscheinlich unter Druck. Einen gewissen Schutz davor bieten gleichzeitig anziehende Mieten, die das Rückschlagpotenzial dämpfen können. Auch aus diesem Blickwinkel haben Einzelhandelsimmobilien an Attraktivität eingebüßt.
Top-Standorte: Im Einzelhandel ist der Mietanstieg vorüber (Miete J/J in %)