Brexit: Ein zweites Referendum als Notlösung?
Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich derzeit in Salzburg und unternehmen einen erneuten Versuch, eine Einigung über den Austrittsvertag herbeizuführen. Nach wie vor gestalten sich die Verhandlungen jedoch schwierig. Vor allem die irische Grenzfrage stellt ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Auf der Suche nach Lösungen scheint eine Mehrheit der EU-Staatsoberhäupter nun ein zweites EU-Referendums zu favorisieren. Dabei geht man offensichtlich davon aus, dass ein erneuter Volksentscheid im Sinne der EU ausfallen würde und der Brexit abgesagt werden könnte. So verlockend dies jedoch auch erscheinen mag, aus rein praktischen Gesichtspunkten dürfte es fast unmöglich sein, ein solches Referendum abzuhalten - schon gar nicht vor dem offiziellen Austritt der Briten am 29. März 2019.
So kann ein Referendum nur mit Zustimmung des Parlaments abgehalten werden, wofür ein Gesetz, eine sogenannte „Referendum Bill“, verabschiedet werden muss. Die letzte „Referendum Bill“ brauchte geschlagene sieben Monate, um den dafür notwendigen und äußerst komplizierten legislativen Prozess zu durchlaufen. Die Argumentation, dass es beim zweiten Durchlauf schneller gehen würde, beruht wohl eher auf dem Prinzip Hoffnung. Seit dem Referendum von 2016 haben sich die Fronten im britischen Parlament deutlich verhärtet, und es wäre davon auszugehen, dass es auch im Falle eines neuen Anlaufs langwierige Verhandlungen über die Fragestellung, die notwendigen Mehrheiten, die Wahlberechtigung, etc. geben würde. Darüber hinaus hat die britische Wahlkommission bereits angekündigt, dass sie im Falle eines erneuten Referendums eine Wahlkampfphase von nicht weniger als sechs Monaten ansetzen würde. Selbst wenn das Parlament sich also morgen auf ein zweites Referendum einigen würde, wäre es quasi unmöglich, dieses Referendum vor dem offiziellen Austritt der Briten am 29 März 2019 abzuhalten.
Abgesehen von diesen praktischen Hindernissen ist auch zu bedenken, dass derzeit keine der größeren Parteien ein zweites Referendum befürwortet. Die Premierministerin hat das Ansinnen sogar erst gestern Abend erneut abgelehnt. Ausserdem wäre in keinster Weise gewährleistet, dass das Ergebnis eines Referendums zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich ein "Remain" wäre. Zwar scheinen die "Remainer" in den vergangenen Wochen an Zulauf gewonnen zu haben, die Umfragen bleiben jedoch gespalten und es wäre unmöglich vorherzusagen, wie sich die Kampagnen der beiden Lager auf die Stimmung im Land auswirken würden. Im schlimmsten Fall würde ein zweites Referendum das "Leave" bestätigen und man hätte nichts gewonnen.
Das Pfund reagierte vorhersehbar positiv auf die aktuellen Meldungen. Nach wie vor setzen Investoren auf einen glimpflichen Ausgang. Zum positiven Marktsentiment tragen derzeit aber auch starke Inflations- und Fundamentaldaten bei, die die Hoffnungen auf eine weitere Leitzinserhöhung der Bank of England schüren.