Sánchez reicht Katalonien die Hand
Ein Referendum über mehr Selbstbestimmung Kataloniens – das will der neue Ministerpräsident Spaniens, Sánchez. Seit seinem Amtsantritt im Juni hat der sozialdemokratische Regierungschef versucht, die Beziehungen zu Barcelona zu verbessern und Kompromissbereitschaft signalisiert. Nun schlägt er vor, die Katalanen über einen ausgeweiteten Autonomie-Status, der zusammen mit Madrid ausgehandelt werden soll, per Referendum abstimmen zu lassen. Sánchez reicht Katalonien damit die Hand und versucht neuen Schwung in den festgefahrenen Konflikt mit der abtrünnigen Region zu bringen. Sein Angebot ist jedoch nicht zu verwechseln mit einer Abstimmung über Unabhängigkeit vom spanischen Zentralstaat, die verfassungsrechtlich ohnehin nicht möglich ist.
Die Euphorie über eine baldige Lösung im Konflikt zwischen Madrid und Barcelona sollte sich jedoch in Grenzen halten – zu tief sitzen die Wunden der politischen Scharmützel der vergangenen Jahre. Der katalanische Ministerpräsident Torra hat bereits verkündet, dass er weiterhin die „Independéncia“ forcieren wird. Außerdem fordert er die Freilassung der katalanischen Politiker, die für die einseitige Unabhängigkeitserklärung im Oktober letzten Jahres juristisch zur Verantwortung gezogen werden sollen – Forderungen die in einem funktionierenden Rechtsstaat nicht im Einflussgebiet der spanischen Exekutive stehen. Doch Sánchez‘ Vorschlag könnte bei der katalanischen Bevölkerung auf offenere Ohren stoßen. Laut Umfragen befürwortet eine Mehrheit der Katalanen zu aller erst mehr Selbstbestimmung, aber nicht zwangsläufig auch mehr Eigenstaatlichkeit.
Sánchez Angebot ist sicherlich ein großer Schritt in die richtige Richtung, um beide Parteien wieder zurück an den Verhandlungstisch führen zu können. Ein perspektivischer Verhandlungskompromiss könnte ein Autonomie-Status Kataloniens mit eigener Steuerhoheit nach dem Vorbild des Baskenlandes sein. Im Gegenzug würde die Region an den Zentralstaat dann einen Teil dieser Einnahmen für dessen Leistungen, z. B. Verteidigung, abführen. Es bleibt zu hoffen, dass der in einer Woche anstehende und symbolträchtige Nationalfeiertag in Katalonien „Diada“ den Konflikt nicht erneut anheizt.