Griechenland: neues Kapitel in der Krisen-Odyssee beginnt
Heute wird Geschichte geschrieben! Nach rund acht Jahren Krisen-Odyssee verlässt Griechenland das dritte und somit letzte Hilfsprogramm der EWU-Gläubiger. Ab sofort steht Hellas finanziell wieder auf eigenen Beinen. Die Syriza-Administration lehnt jedwede Form weitere Unterstützungsmaßnahmen seitens der Gläubiger ab – kann sie doch die wiedergewonnene Unabhängigkeit ein Jahr vor den Parlamentswahlen symbolisch als politischen Triumph verkaufen. Und tatsächlich sind vordergründig einige Erfolge zu verbuchen: Die Konjunktur befindet sich auf zumindest gemäßigtem Erholungskurs und die griechische Regierung kann bisweilen satte Haushaltsüberschüsse vor Zinszahlungen ausweisen. Gleichzeitig sind die Liquiditätsanforderungen für staatliche Verbindlichkeiten bis Ende 2019 erstmal gesichert, und weitere Schuldendiensterleichterungen in den vergangenen Monaten durch die EWU-Gläubiger gewährleisten die Schuldentragfähigkeit zumindest auf absehbare Zeit – wie der IWF bescheinigt. Doch ist damit die griechische Unglückssaga ad acta gelegt? Steht Griechenland nun langfristig wieder auf eigenen Beinen, sodass die Euro-Nachbarn sich über ein Ende mit Schrecken freuen können?
Langfristig dürfte es für Hellas weiterhin schwierig sein, seine wiedergewonnene, fiskalische Unabhängigkeit zu bewahren. Das Land müsste über Jahrzehnte eine strenge Haushaltsdisziplin wahren und die Wirtschaft kontinuierlich wachsen – ein realistisches Ziel ist das wohl kaum. Die angekündigten Schuldendiensterleichterungen, welche den heutigen Wert der Verbindlichkeiten leicht senken, dürften für eine nachhaltige Schuldentragfähigkeit nicht ausreichen. Auch die neuen Auflagen sollten zukünftige Regierungen Griechenlands wohl kaum davon abhalten, den Reformkurs der vergangenen Jahre aufzuweichen. Der innenpolitische Druck ist aufgrund drohender sozialer Verwerfungen, anstehender Wahlen und nicht zuletzt der desaströsen Waldbrände, im Zuge derer sich die Regierung keine Untätigkeit vorwerfen lassen möchte, einfach zu groß.
Weiterhin könnten etwaige Rückschläge, die womöglich auch auf exogene Schocks zurückgehen, den Prozess des Schuldenabbaus bereits zunichtemachen. Die jüngsten Italien- oder Türkeikrisen haben gezeigt, wie anfällig Griechenlands Kapitalmarkt(-aktivität) für Ereignisse außerhalb seines Einflussbereichs bleibt und Liquiditätsengpässe, zumindest nach 2019, drohen könnten. Gleichzeitig dürfte eine relativ teure Refinanzierung am Primärmarkt die Aussicht auf eine nachhaltige Schuldentragfähigkeit noch verschlechtern und Griechenland letztlich wieder in die Arme der EWU-Gläubiger treiben. Die Eurozone stünde dann vor der Wahl: ein neues Hilfsprogramm oder weitere Schuldendiensterleichterungen für das Sorgenkind. Angesichts dessen dürften sich auch die Regierungschefs der Euroländer bewusst sein – heute wurde nur ein Kapitel in der griechischen Krisen-Odyssee beendet, das letzte war es wohl nicht.