Krisen gefährden DAX-Aufschwung
Die Eskalation der Türkei-Krise zeigt, wie schnell Donald Trump außerhalb der USA für Unruhe sorgen kann. Bis zu den Kongresswahlen in den USA im November könnte der US-Präsident verstärkt versuchen, sein Wohl im Angriff auf vermeintliche Gegner zu suchen, auch um von seinen persönlichen Affären abzulenken. Anleger können sich zwar damit trösten, dass die Trump´sche Rhetorik und seine Taten nicht immer übereinstimmen. Aber gerade diese Unberechenbarkeit sorgt dafür, dass Unternehmen und Investoren zunehmend nervöser werden. Betraf die erste Stufe der Eskalation „nur“ einen Teil der Handelsbeziehungen zwischen den USA und China, drohen nun eine Vielzahl neuer Baustellen, u.a. im Iran und der Türkei.
Die US-Unternehmen leiden bisher kaum unter den Belastungen, weil die heimische Wirtschaft so stark wächst wie seit langer Zeit nicht mehr. Ein Crash am US-Aktienmarkt wird an den Märkten nicht diskutiert. So notierte das Volatilitätsbarometer VIX bis vor wenigen Tagen noch auf den tiefsten Stand seit Januar 2018, bevor sich die Krise in der Türkei am Wochenende verschärfte. Der Blick auf die rekordnahen Gewinnmargen und die gute Kursperformance von Nasdaq und Co. treibt allerdings wieder Sorgenfalten auf die Stirn: In der vergangenen Woche repräsentierte der Wert aller Nasdaq-Composite-Aktien mehr als die Hälfte der amerikanischen Wirtschaftsleistung – so ein hoher Wert wurde zuletzt im März 2000 markiert. Dabei erfolgte der jüngste Aufschwung maßgeblich auf fiskalpolitischen „Pump“, durch die 2018 erfolgten Steuersenkungen.
Während Wirtschaft und Aktienmärkte in den USA dynamisch wachsen, leiden die europäischen Unternehmen unter der anziehenden Zahl der Krisenherde. Die Manager halten sich wegen der zunehmenden internationalen Verunsicherungen mit Investitionen etwas stärker zurück als in früheren Phasen. Dazu kommen immer wieder politische und wirtschaftliche Probleme innerhalb der EU-Länder (u.a. Brexit). Die nächste Belastungsprobe dürften die von uns ab Herbst erwarteten Diskussionen über Zugeständnisse der EU gegenüber Italien werden.
Bisher hat sich die Häufung der Krisen bei den DAX- und Euro Stoxx 50-Unternehmen noch nicht in schwächeren Unternehmensergebnissen niedergeschlagen. Die Erwartungen für das Gewinnwachstum 2018 wurden zwar um einige Prozentpunkte gekürzt, drei bis fünf Prozent Zuwachs scheinen aber unverändert möglich. Unsere im Rahmen der laufenden Berichtssaison genommenen Stichproben bei den Unternehmensreports zeigen noch keine Indizien für einen drohenden Gewinneinbruch.
Für die Aktienmärkte wird die zunehmende Häufung an Krisen zunehmend negativer. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass sich in Anbetracht der derzeitigen Gemengelage ein baldiger Stimmungsumschwung ergeben wird. Wir gehen zwischenzeitlich davon aus, dass die Stimmung an den Märkten bis zum Jahresende gedrückt bleibt.
Entscheidend ist letztlich, ob und wie stark die realwirtschaftlichen Konsequenzen für die Unternehmen ausfallen werden. Mögen die aus den jeweiligen Krisen resultierenden Belastungen isoliert betrachtet wenig gefährlich sein, so könnte in naher Zukunft der Punkt erreicht werden, an dem die Summe der Belastungen zu stagnierenden oder gar fallenden Unternehmensgewinnen (= Rezession) führt.
Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass die politischen Konflikte weltweit nicht noch stärker eskalieren und sich das Wirtschaftswachstum wieder stabilisiert. Die Aktienmärkte wären dann wieder von einem Umfeld wachsender Unternehmensgewinne und niedriger Kapitalmarkzinsen geprägt und könnten Kursgewinne verbuchen. Aus diesem Grund sind wir unverändert positiv für die Aktienmärkte, wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau als zuvor.
In unserer überarbeiteten Aktienmarktprognose per Jahresende 2018 erwarten wir den DAX bei 12.600 (vorher 13.700) Punkten und den Euro Stoxx 50 bei 3.500 (3.700) Punkten. Bis zur Jahresmitte 2019, unserem derzeit längsten Prognosehorizont, erwarten wir einen DAX-Anstieg bis auf 13.300 (14.200) Punkte. Der Euro Stoxx 50 sollte bis dahin auf 3.600 (3.900) Punkte gestiegen sein. Auf Basis der vom Konsens geschätzten Unternehmensgewinne für 2019 würde die Bewertung des DAX in unserem Kursziel per Jahresmitte 2019 bei 12,5 liegen, ein Wert leicht unter dem historischen Durchschnitt. In Anbetracht anziehender politischer und wirtschaftlicher Risiken halten wir diesen leichten Bewertungsabschlag gegenüber der Historie für gerechtfertigt.