Chinas Wirtschaft trotzt dem Handelsstreit – noch
Die chinesische Wirtschaft hat im zurückliegenden zweiten Quartal kaum an Schwung verloren und das, obwohl sich der Handelskonflikt zwischen China und den Vereinigten Staaten während der Frühjahrsmonate massiv zugespitzt hat. Mit einer jährlichen Rate von 6,7 Prozent ist das Wirtschaftswachstum zuletzt zwar auf ein Zwei-Jahres-Tief zurückgefallen, lag damit aber nur „einen Tick“ unter dem Wachstumsergebnis des Vorquartals von 6,8 Prozent. Der heute Morgen veröffentlichte Wert lag im Rahmen der Erwartungen. An den chinesischen Finanzmärkten, die in den vergangenen Wochen merklich unter Druck geraten sind, hielt sich die Erleichterung darüber jedoch in Grenzen.
Dass die Eskalation im Handelsdisput mit den USA noch keine Spuren in den „harten“ Konjunkturdaten hinterlassen würde, war absehbar. Nicht nur, dass die Schutzzölle auf 34 Mrd. der Importe des jeweils anderen Handelspartners erst seit Anfang dieses Monates gelten – Zölle auf weitere 16 Mrd. sollen in den kommenden Wochen in Kraft treten. Die Zahlen zur Entwicklung der Industrie und des Außenhandels zeigten sich bis Mai und damit auch im gesamten zweiten Quartal ebenfalls robust. Ob es sich bei den etwas schwächeren Wachstumswerten der Industrieproduktion und der Importe im Juni bereits um erste Belastungen durch den Handelsstreit handelt, muss sich in den kommenden Monaten zeigen. Die Stimmungsumfragen in der Industrie sind im zweiten Quartal im Durchschnitt zumindest überraschend stabil geblieben und haben auch im Juni nur leicht nachgegeben.
Gleichwohl sind wir für die weitere Konjunkturentwicklung in diesem Jahr skeptisch. Mit der nächsten Eskalationsstufe im Handelskonflikt will die US-Administration weitere Importe in Höhe von 200 Mrd. US-Dollar mit Strafzöllen belegen. Damit ist nicht mehr nur rund ein Zehntel der chinesischen Exporte in die USA betroffen, sondern – sofern die Zölle tatsächlich in Kraft treten – die Hälfte aller Ausfuhren, die für den wichtigsten Absatzmarkt Chinas bestimmt sind. Dies entspricht etwa zwei Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung. Hinzu kommt, dass Peking bei der staatlichen Investitionstätigkeit inzwischen mächtig auf die Bremse tritt, wohl vor allem, um die Schuldenexplosion der vergangenen Jahre einzudämmen.
In der soeben begonnenen zweiten Jahreshälfte rechnen wir daher mit weiteren und noch etwas stärkeren Abstrichen an den Wachstumsraten des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Sie dürften zwar im Vergleich zu anderen Ländern und angesichts des immer noch beachtlichen Wachstumstempos der Volksrepublik moderat ausfallen. Mit 6,5 Prozent in diesem und im nächsten Jahr würde das BIP-Wachstum aber so niedrig ausfallen wie seit 1990 nicht mehr.
Da die chinesische Führung mit dem Wirtschaftswachstum gerne Stabilität und Kontrolle suggeriert und die amtlichen Wachstumsraten regelmäßig politisch „aufbessert“, dürfte sie vorerst kaum ein Wachstum zulassen, das dauerhaft unter dem offiziellen Wachstumsziel von 6,5 Prozent liegt. Dies gilt umso mehr mit Blick auf die chinesischen Finanzmärkte, die angesichts der Handelsstreitigkeiten zunehmend in Krisenmodus umschalten und wieder sehr empfindlich auf Konjunkturzahlen reagieren. Eine Wiederholung der Turbulenzen wie im Jahr 2015 wird Peking in jedem Fall vermeiden wollen. Auch neue staatliche Investitionsmaßnahmen sind wahrscheinlich, um die Konjunktur zu stabilisieren, sollten die Exporte einknicken. Problematisch ist allerdings, dass damit die ersten zaghaften Erfolge bei der Schuldeneindämmung wieder zunichtegemacht und die Gefahren für die Finanzstabilität wieder steigen würden. Wirtschaftspolitisch bringt der Handelskonflikt die chinesische Regierung in ein Dilemma.