Das aktuelle Zollregime ist nicht mehr zeitgemäß

Donald Trump hat recht. Das aktuelle Zollregime passt nicht mehr in die Weltordnung von heute. Doch eine Veränderung dieses Systems ist überaus kompliziert. Und der von Trump vom Zaun gebrochene globale Zollstreit wird nicht zu einer Lösung des Problems führen. Stattdessen werden alle unter der Zollspirale leiden.

Eigentlich dürfen sich die Europäer in der aktuellen Diskussion um Straf- und Schutzzölle nicht beklagen. Nach Berechnungen des Münchner ifo Instituts liegt der ungewichtete Durchschnittszoll der EU auf die Warenimporte aus anderen Ländern bei rund 5,2 Prozent. Die USA erheben dagegen durchschnittlich 3,2 Prozent auf ihre Importe. Der einfache Durchschnitt zeichnet dabei aber nur ein ungenaues Bild, denn er erfasst über die zahlreichen Gütergruppen hinweg nicht die wirtschaftliche Bedeutung der Güter im Außenhandel. Deutlicher wird dies bei der aktuell diskutierten Gütergruppe von PKWs. Die EU veranschlagt auf US-Autos aus den USA derzeit einen zehnprozentigen Zoll, die USA dagegen verlangen für eingeführte EU-Autos nur 2,5 Prozent. Allerdings erheben die USA 25 Prozent auf leichte Lastwagen, Pick-ups und SUVs.

US-Präsident Donald Trump hängt sich an diesen zehn Prozent auf und kritisiert sie als unfair, denn im Gegensatz zu Europa würden in den USA vielmehr europäische oder deutsche Autos verkauft werden als US-amerikanische in Europa. Abgesehen davon, dass die Wahl des eigenen PKW eine individuelle Präferenzentscheidung des Käufers ist und dass eine nicht unerhebliche Zahl der europäischen und deutschen Autos inzwischen in Amerika produziert und teilweise von dort wieder exportiert werden, stammt das aktuelle Zollregime aus einer Zeit mit ganz anderen Zielsetzungen. Sie sind das Ergebnis der sogenannten Uruguay-Runde (1986-1994), einer multilateralen Liberalisierungsrunde mit 124 Mitgliedern. Der Abschluss der der Verhandlungen mündete in der Gründung der Welthandelsorganisation WTO.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Vorstellungen waren damals andere als heute. Während sich die Schwellen- und Entwicklungsländer leichteren Zugang zu den Märkten der Industrieländer erhofften, verfolgten die Industrieländer mehrheitlich das Ziel, bestimmte Schlüsselindustrien abzusichern. Europa wollte sich beispielsweise mehrheitlich gegen japanische Autoimporte absichern. Den USA war dagegen ein freierer Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte lieber. Sie stimmen deshalb unter anderem dem vergleichsweise hohen EU-Außenzoll für PKW zu.

Inzwischen hat sich die Struktur des Welthandels verändert. Die Globalisierung schritt voran und schaffte weltumspannende und grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten. Viele der aufstrebenden Volkswirtschaften sind in diese Wertschöpfungsketten inzwischen vollständig integriert, wie das Beispiel China mit seinem Beitritt zur WTO gezeigt hat. Auch die ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts sind inzwischen Mitglieder der WTO. Die EU ist derweil von 12 auf 28 Mitglieder angewachsen und bildet inzwischen einen der größten Wirtschaftsräume der Welt. Der Handel von Endprodukten, der noch im Mittelpunkt der Verhandlungen der Uruguay- Runde stand, hat an Bedeutung zugunsten des Handels von Zwischenprodukten verloren. Zwischenzeitliche multilaterale Verhandlungen über eine Neuausrichtung der bestehenden Zölle, etwa im Rahmen der Doha-Runde sind gescheitert.

Um die Probleme des im Rahmen der WTO bestehenden Zollregimes zu umgehen und zu mehr Liberalisierung im Freihandel zu gelangen, wurden ab 1990 bilaterale Präferenzabkommen unterzeichnet. Bis 2010 belief sich das Volumen auf über 500 Abkommen, die insgesamt zu einer deutlichen Reduktion der durchschnittlichen Außenzölle führten. Dadurch begünstigt konnte der Welthandel bis zur Finanzkrise kräftig steigen und das globale Wirtschaftswachstum befeuern. Seit der Krise haben die Unterzeichnungen von neuen Präferenzabkommen wieder deutlich abgenommen. Jüngstes und populärstes Beispiel war das geplante, aber letztendlich gescheiterte Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den vereinigten Staaten.

Das aktuelle Zollregime passt eigentlich nicht mehr zu der aktuellen Weltwirtschaftsordnung. Hier hat die US Regierung und US Präsident Trump recht. Eine Änderung des aktuellen Regimes ist vermutlich auch sehr schwierig, da viele Länder einiges zu verlieren hätten. Jedoch führt das aggressive Vorgehen von Trump vermutlich auch nicht unmittelbar zum Erfolg. Trump kann sich zwar beim Zollstreit zunächst auf eine sehr stabile US Wirtschaft stützen. Jedoch dürfte die wirtschaftliche Dynamik im Falle einer weiteren Eskalation auch in den USA nachlassen. Weiterhin ist nicht damit zu rechnen, dass die betroffenen Länder einfach nachgeben werden.

Vielmehr ist damit zu rechnen, dass es zunächst eine Zollspirale gibt und erst wenn die wirtschaftliche Dynamik in allen Ländern nachlässt wird man sich besinnen und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Relativ betrachtet dürfte dabei die US Wirtschaft weniger verlieren, als Europa und Asien. Genau darauf setzt wohl die Taktik der USA.

Insgesamt muss man wohl von einer Abkühlung der wirtschaftlichen Dynamik ausgehen, insbesondere in Europa. Wie stark diese Ausfällt hängt davon ab wie lange der Zollstreit dauert. Ein schnelles Ende ist aber zurzeit nicht abzusehen.


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