Wahl in der Türkei – wenig Klarheit, viele Fragezeichen
Am kommenden Sonntag finden in der Türkei vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Zugleich tritt mit dem Urnengang die im Frühjahr 2017 im Rahmen eines Referendums angenommene, aber dennoch umstrittene Verfassungsreform in Kraft. Diese stärkt die Machtbefugnisse des Präsidenten gegenüber dem türkischen Parlament. Regulär standen Neuwahlen erst für Ende 2019 auf der Agenda. Wohl nicht zuletzt mit der Absicht, seine Wiederwahl zu sichern, zog Staatsoberhaupt Erdogan diese jedoch auf den 24. Juni vor.
Laut aktuellen Umfragen ist fraglich, ob der Plan des amtierenden Präsidenten aufgehen wird. Weder Erdogan noch das ihn unterstützende Wahlbündnis aus AKP und nationalistischer MHP können sich derzeit sicher sein, die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich zu vereinen. Mit Blick auf die Zusammensetzung des künftigen Parlaments könnte es vor allem darauf ankommen, ob die pro-kurdische HDP über die für Einzelparteien geltende 10%-Hürde klettern wird. Sollte dies gelingen, könnte die HDP gemeinsam mit einem oppositionellen Parteienbündnis, dem unter anderem die sozialdemokratisch ausgerichtete Republikanische Volkspartei (CHP) und die noch recht junge nationalkonservative „Gute Partei“ (Iyi) angehören, zumindest gemäß aktuellen Umfragen mehr Stimmen erhalten als das Erdogan-treue Lager.
Der Präsident selbst könnte die absolute Mehrheit der Stimmen im ersten Wahlgang verfehlen. Zwar stehen Erdogans Chancen für die Stichwahl deutlich besser. Sein aussichtsreichster Widersacher Muharrem Ince von der CHP dürfte allerdings darauf setzen, dass die Opposition bei einer Stichwahl geschlossen hinter ihm steht und die von ihr propagierte Wechselstimmung im Land hierdurch zusätzlichen Schub erhält.
Für die Lira ist die Wahl am Sonntag ein äußerst heißes Pflaster. Sollten Präsident Erdogan und seine AKP an der Macht bleiben, wäre dies aller Voraussicht nach noch das „bessere Übel“. Zwar hat das Staatsoberhaupt Investoren in den letzten Wochen verunsichert, dies dürfte jedoch im derzeitigen Lira-Kurs zumindest weitgehend eingepreist sein. Sollte hingegen die Opposition im Parlament eine Mehrheit erhalten oder gar das Präsidentenamt erobern, dürfte die politische Unsicherheit im Land weiter zunehmen, insbesondere da Staatschef Erdogan ein solches Wahlergebnis kaum ohne weiteres hinnehmen würde. Zusätzlicher Abgabedruck auf die Lira sollte die Folge sein.