Die Zukunft der Eurozone – mehr Gemeinschaft erfordert mehr Disziplin
Die Eurozone muss reformiert werden – darüber sind sich viele politischen Akteure in der Währungsunion einig. Denn die europäische Staatsschulden- und Bankenkrise hat in den vergangenen Jahren die eklatanten Konstruktionsschwächen der Währungsunion, darunter wirkungsschwache Sanktionsmechanismen, zu Tage gefördert. Eine große wirtschaftliche Divergenz sowie steigende Haftungsrisiken für die Gemeinschaft waren die Folge und haben in vielen Euroländern den Eindruck eines zunehmenden Ungleichgewichts des Gebens und Nehmens entstehen lassen.
Um den manchmal in Frage gestellten Mehrwert der Euro-Mitgliedschaft abzuwägen, müssen den wirtschaftlichen Risiken der EWU-Zugehörigkeit die Vorteile des Euro gegenübergestellt werden. Auf der einen Seite bergen die Forderungen gegenüber den EWU-Schuldnern vor allem durch die Rettungsprogramme und die Target-2-Salden bei einem Austritt aus der EWU nicht unerhebliche fiskalische Risiken. Auf der anderen Seite profitieren besonders die exportstarken Kernländer von barrierefreien Absatzmärken mit niedrigen Transaktionskosten und einer gemeinsamen Sicherheitspolitik. So verzeichnete beispielsweise Deutschland seit Gründung der Währungsunion einen durchschnittlichen Leistungsbilanzsaldo von 4,8% des BIP. In den zwei Dekaden vor 1999 lag der durchschnittliche Überschuss nur bei 0,8% des BIP. Die wirtschaftlichen Vorzüge der Euro-Mitgliedschaft dürften bisher für die Kernländer die potenziellen Kosten bei weitem überwogen haben.
Trotz des großen Mehrwerts der Euro-Mitgliedschaft ist die Reformierung der Währungsunion unabdingbar, um die Zukunftsfähigkeit dieser Institution zu gewährleisten. Die Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) ist hierbei ein vielfach diskutierter Vorschlag. Doch scheiden sich über seine konkrete Ausgestaltung die Geister – die Vorstellungen reichen vom EWF als ordnungspolitischen Kontrollapparat bis hin zum bedingungslosen Hilfsfonds. Ein politisch unabhängiger, durchsetzungsstarker EWF, der nach dem Vorbild der EZB als „scharfes Schwert“ die wirtschaftliche Disziplin der Euroländer kontrolliert und notfalls auch einfordern kann, wäre ein richtiger Ansatz. Da ein derart gestalteter EWF politisch aber wohl nicht mehrheitsfähig ist, könnte ein Kompromiss wie folgt aussehen: Die Kernländer akzeptieren ein Mehr an gemeinschaftlicher und finanzieller Verantwortung, dafür erhalten aber alle nationalen Parlamente ein Vetorecht gegenüber dem EWF-Direktorium – vor allem in Sachen Bereitstellung neuer Hilfsgelder. Dies gewährleistet immer noch eine Win-win-Situation, wonach die Peripherie die gute Bonität der Gemeinschaft nutzt, während die Kernländer die Einhaltung der vorgegebenen Regeln einfordern können.