Agrarrohstoffe: Preise könnten steigen
Die Preise für Agrarrohstoffe bewegen sich seit rund vier Jahren in einer Seitwärtsbewegung auf niedrigem Niveau. Der Hauptgrund für diese Entwicklung war die zusehends aus den Fugen geratene Balance zwischen Angebot und Nachfrage, maßgeblich in den Erntejahren zwischen 2013/14 bis 2016/17. Während der Verbrauch der vom DZ BANK Rohstoff-Research analysierten Big-3-Agrarrohstoffe – Mais, Weizen und Sojabohnen – zwischen 2013/14 und 2016/17 um durchschnittlich 3,6% anzog, verzeichnete die Big-3-Produktionsmenge eine durchschnittliche Wachstumsrate von 4,8%. Nahezu logische Folge dieser asynchronen Entwicklung war ein deutliches Ansteigen der Big-3-Lagerbestände von 363 auf 566 Mio. Tonnen.
Die angebotsseitige Steigerung in diesem Zeitintervall lässt sich dabei auf die beiden Primärfaktoren steigender Ernteflächen und wachsender Hektarerträge zurückführen, von denen Erstere für rund 30% und Letztere für rund 70% des Produktions-Quantensprungs verantwortlich zeichneten.
Im Detail:
„Flächen-Faktor“: Die gestiegenen Ernteflächen basierten auf vier Hintergrundtreibern: (1) Preise, (2) USD-Entwicklung, (3) Agrarpolitik und (4) Wetter. So sorgten die „Nachwehen“ der Agrarrohstoffpreis-Hausse von 2010-2013 für additive Pflanzimpulse maßgeblich in Staaten mit hinreichend großen Flächenreserven (z.B. Argentinien, Brasilien und Russland). Deutlich verstärkt wurden diese marktpreislichen Aussaatanreize auch noch durch die begleitende Aufwertung des US-Dollars, welche die Exporterlöse (nach Rückrechnung in die jeweilige Heimatwährung) zusätzlich anschwellen ließ. Als massiv flächensteigernd erwies sich zudem das bereits im Jahre 2007 (als Reaktion auf den ersten Hochpreiszyklus) auf den Weg gebrachte Mais-Unterstützungsprogramm in China. Last but not least ist in diesem Flächen-Kontext auch noch der Wetter-Faktor zu nennen, da der – im globalen Maßstab betrachtet – überdurchschnittlich günstige trilaterale Mix aus Temperaturen, Niederschlägen und Sonnenstunden zu einer überdurchschnittlich hohen „Ernte-Quote“ (Verhältnis von Ernte- zu Aussaatfläche) führte.
„Hektarertrags-Faktor“: Die steigenden Hektarerträge wiederum hatten drei hervorstechende Antriebsaggregate: (1) Fortschreitende Technisierung, (2) Knowhow-Transfer und (3) Wetter. Der Einsatz neuester Technologien in allen relevanten Agrar-Dimensionen (u.a. Landmaschinen, Saatgut, Pflanzenschutz) erzeugt ganz grundsätzlich ein gewisses Grundrauschen beim Hektarertragswachstum. Da bahnbrechende Technologiesprünge aber schon seit längerer Zeit eher die Ausnahme als die Regel waren, nahm der durchschnittliche Zugewinn der Hektarerträge sukzessive ab. Die zunehmend Raum greifende Digitalisierung der Landwirtschaft (Stichwort: Landwirtschaft 4.0) scheint diesen strukturellen „Verlangsamungstrend“ nun aber – zumindest vorerst – gestoppt zu haben. Auch der Knowhow-Transfer in umsetzungsfähige „Agrartechnologie-Staaten“ der zweiten Reihe (u.a. Russland, Ukraine) hat unseres Erachtens gerade in der jüngeren Vergangenheit deutlich an Fahrt gewonnen. Der wesentlichste Hektarertragstreiber in der 2013/14-2016/17er-Periode war aber das Wetterglück. So blieben gravierende Missernten vor allem in den großen Anbau- und Exportnationen der Big-3-Agrarrohstoffe weitgehend aus. Während die globalen Hektarerträge von Mais, Sojabohnen und Weizen als Folge ungünstiger Witterungskonstellationen in den fünf Erntejahren von 2008/09-2012/13 in sieben von fünfzehn Fällen – zum Teil erheblich – unter den ex-ante errechneten Prognosewerten blieben, kam es in den vier Erntejahren 2013/14-2016/17 nur in einem von zwölf Fällen zu einer solchen Underperformance.
Von den vorgenannten sechs angebotsseitigen Sekundär- oder Hintergrundtreibern haben sich zumindest drei Faktoren inzwischen sehr deutlich verändert. Von den (Niedrig-)preisen geht dabei zugegebenermaßen bereits schon seit etwas längerer Zeit kein globaler „Flächen-Magnetismus“ mehr aus. Im Laufe des Jahres 2017 sind als weitere „Flächen-Demotivatoren“ dann auch noch ein sich abschwächender US-Dollar und die Umkehrung der chinesischen Getreidepolitik hinzugekommen. Subventionierte man im Reich der Mitte gestern noch auf großzügige Weise die nationale Maisproduktion, ist es – nach einer viel zu erfolgreichen „Fördermaßnahme“ – nun die Maisnachfrage, der mit staatlichen Gestaltungsmitteln möglichst zügig auf die Sprünge geholfen werden soll. Hinzukommt kommt, dass zumindest im zur Neige gehenden Erntejahr 2017/18 – und wie es scheint auch im herannahenden Erntejahr 2018/19 – der vom Wettergott ausgegebene Kartensatz deutlich neutralerer Natur gewesen ist bzw. zu werden scheint.
Die solchermaßen nur noch mit zweieinhalb anstatt mit sechs Triebwerken laufende Produktionsmaschinerie sorgte im Zusammenspiel mit einer sehr robusten Nachfragedynamik zuletzt dafür, dass die „Big-3-Lagerbestände“ nach unserer Kalkulation bereits zum Ende des Erntejahres 2017/18 bereits wieder um 36 Mio. MT auf 530 Mio. MT (USDA: 557 Mio. MT) geschrumpft sind. In dem erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Mai-Report des US-Agrarministerium, in dem das USDA traditionsgemäß seine Ersteinschätzung für das kommende Erntejahr bekanntgibt, prognostiziert die US-Bundesbehörde für das Erntejahr 2018/19 einen weiteren Rückgang der Big-3-Lagerbestände um 47 Mio. MT auf 510 Mio. MT (DZ BANK: 486 Mio. MT). Dies entspricht zwar absolut immer noch dem vierthöchsten Stand in den 2000er-Jahren. Rechnet man es aber – korrekt – in Relation zur gestiegenen Nachfrage ist es nur noch der zehnthöchste Wert.
Fazit: Die Zeit des permanenten Lagerbestandsaufbaus ist beendet. Eine entschleunigte Produktionsmaschinerie in Kombination mit einer robusten Nachfrage dürften – mit Ausnahme von „Traumwetter-Jahren“ – nun aber eher für sinkende Lagerbestände und steigende Preise sorgen.