„Sichere Staatsanleihen“ - Brüssel setzt aufs falsche Pferd
Totgesagte leben sprichwörtlich länger. Dieses gilt auch für das Konzept der European Safe Bonds (ESBies). Zur Erinnerung: Brunnermeier et al. hatten 2016 ihre Idee strukturierter Anleihen erstmals vorgestellt. Ziel war es, den Mangel an „sicheren“ Staatanleihen in der Eurozone zu beheben und gleichzeitig dem Staaten-Banken-Nexus, der vor allem ein Problem in der Peripherie ist, entgegenzuwirken. Hierzu sollten eigens Zweckgesellschaften gegründet werden, die Staatsanleihen der Eurozone kaufen und dies durch die Ausgabe von mindestens zwei verschiedenen Tranchen strukturierter Anleihen zu finanzieren – besonders sichere Senioranleihen, die vor allem für Banken interessant wären, und höher verzinste Juniortranchen. Der Clou: Etwaige Ausfälle bei Staatsanleihen sollten zunächst voll von den Inhabern der Juniortranchen getragen werden, erst wenn eine bestimmte Verlustschwelle überschritten wird, drohten den Inhabern der Seniorbonds Verluste. Weil etwa 70% der ESBies auf die Seniortranche entfallen sollten, könnte der Umfang sicherer Staatsanleihen in der Eurozone erheblich vergrößert werden – so die Autoren.
Die Europäische Kommission hat nun einen Gesetzesrahmen für Sovereign Bond-backed Securities (SBBS) ausgearbeitet, der in der kommenden Woche vorgestellt und auf dem Konzept der ESBies aufbauen soll. Die Kommission setzt vor allem darauf, dass Banken ihre Anleihebestände stärker geographisch diversifizieren. Außerdem wehrt sich die Kommission gegen den Vorwurf, dass SBBS letztlich modifizierte Eurobonds seien.
Insoweit hat die EU Recht. SBBS oder ESBies verfolgen nicht das Ziel, dass sich Staaten gemeinschaftlich refinanzieren. Trotzdem setzt Brüssel aufs falsche Pferd. Das Konzept wurde von verschiedener Seite bereits als unausgereift und im Sinne des Ziels als ungeeignet beurteilt. Eine Studie der DZ BANK mit dem Titel „ESBies kein Allheilmittel“ aus dem Februar des vergangenen Jahres kam bereits zu dem Ergebnis, dass der Ansatz die gewünschten Ziele voraussichtlich verfehlen würde. Vor allem in Krisenzeiten besteht das Risiko, dass auch die Senioranleihen deutlich an Wert verlieren und damit keineswegs das Prädikat eines adäquaten Ersatzes für Bundesanleihen verdienen. Spätestens als S&P im Mai 2017 eine Einschätzung veröffentlichte, wonach selbst die Senior-Tranchen je nach Ausgestaltung allenfalls mit einem Rating rechnen können, das der Bonitätsnote Italiens entspricht, schien das Konzept gänzlich vom Tisch zu sein. Dies dürfte auch erklären, weshalb bislang noch keine ESBies emittiert wurden, obwohl Banken oder andere private Institutionen diese auch unter den heutigen rechtlichen Voraussetzungen schon anbieten könnten.
Umso erstaunlicher erscheint der jetzige Vorstoß der EU-Kommission. Da sich das Interesse des Marktes bislang in engen Grenzen hält, dürfte die Kommission Anreize schaffen wollen, um die dann unter SBBS firmierenden Bonds zum Durchbruch zu verhelfen. Angesichts der konzeptionellen Schwächen der zugrundeliegenden Idee dürfte die Nachfrage der Anleger weiterhin gering sein. Gelingt es der Kommission dennoch, SBBS am Markt zu etablieren, würde sie wohl das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich beabsichtigt – neue potenzielle Gefahrenquellen für die Stabilität des europäischen Finanzsystems. Besser wäre es, die Staaten halten am Reformpfad fest, was die Sicherheit und damit die Qualität von Staatsanleihen an sich tatsächlich verbessern würde.