Vierte Amtszeit für Wladimir Putin – Geht es mit Russlands Wirtschaft jetzt bergauf?
Die russischen Wähler haben ihrem Präsidenten Wladimir Putin eine vierte Amtszeit im Kreml gewährt. Nach vorläufigen Angaben erreichte er über 75 Prozent der Stimmen. Dass er wiedergewählt werden würde, stand außer Frage, denn ernsthafte Opposition konnte sich in den vergangenen Monaten nicht etablieren. Putins härtester Widersacher, Alexei Navalny, der sich dem Kampf gegen die Korruption und dem Ämterschacher im Staatssystem verschrieben hatte, war Wochen vor der Wahl von der Kandidatenliste ausgeschlossen worden und hatte daher zum Wahlboykott aufgerufen. Pawel Grudinin, der für die Kommunistische Partei im Rennen war, kam als bester der Gegenkandidaten nur auf knapp 12 Prozent. Die Frage für Putin war also eher die nach der Wahlbeteiligung. Seine Losung war, mindestens 70 Prozent der gültigen Stimmen zu erhalten, bei einer Wahlbeteiligung von ebenfalls mindestens 70 Prozent. Die Erreichung dieser Quoten war ihm deshalb wichtig, weil sie für die Anerkennung der Legitimität seiner Wahl entscheidend ist - im Inland wie im Ausland. Beim Stimmenanteil hat er sein Ziel übertroffen, bei der Wahlbeteiligung hat er es knapp verfehlt.
Bis zum Jahr 2024 hat Putin unzweifelhaft eine Fülle von Aufgaben aufzuarbeiten. Die Erhöhung der Wirtschaftskraft und des Lebensstandards der Russen hatte er im Wahlkampf immer wieder als Priorität betont, ein „blühendes Russland“ will er nun (endlich) schaffen. Allein, es ist mehr als zweifelhaft, dass sich in dieser Zeit unter ihm das russische Inlandsprodukt tatsächlich nachhaltig und kräftig nach oben bewegen wird. Im Wahlkampf hatte er sogar angedeutet, darauf hinwirken zu wollen, dass sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf der Bevölkerung innerhalb von sieben Jahren um die Hälfte erhöht. Dazu müssten sich durchschnittliche jährliche Wachstumsraten von sechs Prozent einstellen, was völlig illusorisch ist. Um seine wirtschaftlichen Versprechen auch nur ansatzweise einzulösen, müsste er sich mit fundamentalen Reformierungen des gesamten Wirtschaftssystems beschäftigen, die Investitionen außerhalb des Energie- und Militärsektors sprunghaft nach oben treiben und den Infrastrukturbereich großflächig modernisieren und ausbauen. Dazu fehlen aber kurzfristig die Mittel. Im Gegenteil, derzeit herrscht für den Staat immer noch das explizite Gebot der Sparsamkeit, und dieses dürfte vorerst auch kaum zurückgenommen werden.
Für mehr Wachstum bräuchte Putin daher auch einen Privatsektor, der sich wesentlich dynamischer entwickeln muss als bisher. Die Wirtschaft ist sektoral zu wenig differenziert und auch im Hinblick auf spezifische Wettbewerbsparameter wie Produktivität, Technologie und Innovationskraft derzeit nicht in der Lage, um wirklich große Sprünge nach oben zu tun. Ohne institutionelle, rechtliche und politische Veränderungen ist hier nur wenig möglich.
Russland hat eine rückläufige Arbeitsbevölkerung, qualifizierte Kräfte sind oft Mangelware. Beides begrenzt die Wachstumsmöglichkeiten. Eine Wachstumsbremse ist zudem das hohe Ausmaß an Bürokratie, Regulierung und staatlicher Gängelei. All dies müsste drastisch gestutzt werden. Die Rechtssicherheit für Bürger und Unternehmen muss verbessert werden. Dazu ist ein Rechtssystem erforderlich, das endlich nach klaren Regeln und Prinzipien funktioniert, ohne dass sich der Staat einmischt und aus dem Hintergrund versucht, Richterentscheidungen zu beeinflussen. Letztlich fehlen in Russland nicht nur die finanziellen Mittel für einen Umbau des Wirtschaftssystems, weg vom Übergewicht des Energiesektors und der Militärtechnik, sondern wohl auch der politische Wille für wirklich grundlegende Veränderungen im System. Denn diese Veränderungen bedeuten auch immer zugleich Risiken und möglicherweise Instabilität. Beides ist offensichtlich gegen die Natur Wladimir Putins, aber auch vieler Russen, die sich mit den Unzulänglichkeiten ihres Landes und seinem politischen Regime offenbar arrangiert haben.
Der Ölpreis ist weit entfernt von den Hochs, die in Russland zum letzten Boom geführt hatten. Wenn er im Großen und Ganzen in den nächsten Jahren sein aktuelles Niveau hält, wäre dies für Russlands Energiekonzerne zumindest ein auskömmliches Umfeld. Auch die Notenbank könnte dann noch eine Weile – bei relativ stabilem Rubel – an ihrem Zinssenkungskurs festhalten, der die Wirtschaft nach unten abstützt. Trotzdem dürfte all dies in diesem und im nächsten Jahr nur für Wachstumsraten von knapp +2 Prozent reichen und damit kaum eine Beschleunigung gegenüber dem abgelaufenen Jahr 2017 bedeuten.