Große Koalition in der Zinswende
Die Verhandlungen rund um die Bildung einer erneuten großen Koalition befinden sich in den letzten Zügen. Die bisherigen Gesprächsergebnisse weisen darauf hin, dass die vollen Staatskassen Begehrlichkeiten bei SPD und Union wecken – mindestens 46 Mrd. Euro sollen zusätzlich in der kommenden Legislaturperiode ausgegeben werden. Doch der Spendierhosenstimmung könnte durch die Kapitalmärkte bald ein jähes Ende bereitet werden. Die Zinswende ist bereits im vollen Gange. Seit Jahresanfang haben die Aussichten auf eine Abkehr der EZB von einer ultra-expansiven Geldpolitik Bund-Renditen deutlich ansteigen lassen. Die fiskalischen Konsequenzen steigender Renditen und der daraus resultierende Handlungsbedarf sind bis zu den politischen Akteuren jedoch noch nicht vorgedrungen.
Um die fiskalischen Folgen eines deutlichen Anstieges des Renditeniveaus zu quantifizieren, eignet sich ein Vergleich zwischen einem Szenario signifikant ansteigender Renditen (auf 2,5% bis 2021) und einem Szenario mit konstant niedrigen Renditen (0,1%). Für den letzteren Fall lässt sich berechnen, dass die Zinsausgaben des Bundes in Summe gerade einmal 112 Mrd. Euro in der gesamten Legislaturperiode betragen dürften. Im Gegensatz dazu ergibt sich in einem Szenario deutlich anwachsender Renditen eine zusätzliche Zinslast von 66 Mrd. Euro bis 2021. Im Zuge dessen würden während der gesamten Legislaturperiode Budgetdefizite zwischen 0,2 und 0,3% des BIP verzeichnet werden.
Die Bundesregierung hat sich scheinbar an den Status quo, der sich durch sprudelnde Steuereinnahmen und historisch niedrige Zinslasten auszeichnet, gewöhnt. Die Koalitionsverhandlungen basieren immer noch auf der Annahme, dass sich der fiskalische Segen durch die expansive EZB-Politik für immer fortsetzen wird. Somit dürften eine Zinswende und ihre fiskalischen Folgen wohl kaum in den wirtschaftspolitischen Planungen der GroKo-Partner berücksichtigen werden. Stark steigende Bund-Renditen könnten dazu führen, dass die großzügigen Wahlgeschenke einer neuen Bundesregierung bereits dieses Jahr den Haushalt ins Defizit treiben, welches in den Folgejahren weiter zulegen dürfte. Aufgrund des immer noch anhaltenden, konjunkturellen Aufschwungs dürfte sich die Gesamtverschuldungslage Deutschlands auch in Zukunft zwar immer noch recht positiv darstellen. Die Zeiten der überschwänglichen Verteilungspolitik dürften sich aber dem Ende zuneigen.