UK: Trotz leichter Wachstumsbeschleunigung im vierten Quartal sind die Brexit-Effekte unübersehbar
Die britische Wirtschaft kann von Glück sagen, dass die Weltkonjunktur momentan so gut läuft. Sonst würde sie den Gegenwind des bevorstehenden Brexits weitaus deutlicher spüren. So aber konnte sie im Schlussquartal des vergangenen Jahres erneut ein solides BIP-Wachstum erzielen. Mit einem Zuwachs von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal war das Ergebnis sogar etwas besser als in den Quartalen zuvor. Gemessen an der eigenen Historie allerdings ist das aktuelle Wirtschaftswachstum in Großbritannien weiterhin eher durchschnittlich, während andernorts die Wirtschaft boomt und weit überdurchschnittliche Wachstumsraten erreicht.
Dank der guten Exportkonjunktur brummt auch in Großbritannien die verarbeitende Industrie. Im zurückliegenden Quartal konnte sie zum zweiten Mal in Folge einen Anstieg von über einem Prozent erzielen – das gab es seit sieben Jahren nicht mehr. Wäre ihr Gewicht in der britischen Wirtschaft in den vergangenen 30 Jahren nicht so stark gesunken (der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Wirtschaftsleistung entspricht inzwischen kaum mehr 10 Prozent – zum Vergleich: in Deutschland liegt er bei rund 20 Prozent), sähe die Wachstumsbilanz jetzt besser aus.
Die wichtigste tragende Säule der britischen Konjunktur ist jedoch der private Konsum und der verliert zusehends an Schwung. Im vergangenen Jahr hat sich sein Wachstum halbiert, konsumnahe Dienstleistungen, wie der Groß- und Einzelhandel oder die Gastronomie sind im Schlussquartal kaum noch gewachsen. Die Verbraucher werden immer skeptischer und schränken vor allem größere Anschaffungen zunehmend ein. So sind beispielsweise die Kfz-Zulassungen im vergangenen Jahr um über 5 Prozent gesunken. Die britische Auto-Industrie verkauft zwar deutlich mehr Fahrzeuge im Ausland, im Inland jedoch lahmt der Absatz.
Die britische Konjunktur ist gespalten. Das liegt vor allem am schwachen Pfund, das durch die starke Abwertung nach dem Brexit-Votum zwar der Exportwirtschaft Rückenwind verschafft hat, gleichzeitig aber auch die Inflation stark angeschoben hat – des einen Freud ist des anderen Leid. Die britischen Verbraucherpreise liegen aktuell rund 3 Prozent höher als im Vorjahr – das ist weitaus mehr, als wir zurzeit in vielen anderen Industrieländern beobachten. Zwar dürfte die Inflation im Vereinigten Königreich jetzt nicht mehr weiter steigen, wohl aber noch eine ganze Weile erhöht bleiben. Das lässt die Reallöhne schrumpfen und drückt auf die Kaufkraft.
Wie geht es nun weiter mit der britischen Konjunktur? Das hängt wesentlich von den Fortschritten in den Brexit-Verhandlungen ab. Realistischerweise sind vor dem Spätsommer dieses Jahres keine belastbaren Ergebnisse zu erwarten. Die Sorgen, dass die Gespräche doch noch platzen und Großbritannien auf einen „harten Brexit“ zusteuert, werden in den kommenden Monaten wohl zunehmen. Die Unternehmen dürften ihre Notfallpläne aus den Schubladen holen und erste Umzüge organisieren. Die Investitionstätigkeit wird darunter leiden. Die Baukonjunktur befindet sich bereits jetzt in der Rezession. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich in diesem Jahr gegenüber dem guten Wachstumswert von 1,8 Prozent in 2017 wohl etwa halbieren – das ist angesichts der Risiken durch den EU-Austritt letztlich immer noch ein gutes Ergebnis. Wenn dann bis zum Herbst eine vernünftige Kompromisslösung für den Brexit auf dem Tisch liegt, dürfte es im kommenden Jahr mit den Wachstumsraten auch wieder etwas bergauf gehen.